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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 102: Änderung der Weihnachtsgeldzusage

    Die Verbesserung der Weihnachtsgeldzahlung durch den Arbeitgeber ist kein Problem. Immer wieder aber kommt es vor, daß ein Arbeitgeber die Weihnachtsgratifikation zukünftig verringern oder gar streichen will. Ausschlaggebend sind dabei zumeist wirtschaftliche Gründe, insbesondere Einbrüche in der Ertragssituation.
    Mit einer solchen Verschlechterung sind Arbeitnehmer aber nicht immer einverstanden.

Der Fall

    Arbeitgeber Joschka zahlte in der Vergangenheit an seine 10 Arbeitnehmer am Jahresende eine Weihnachtsgratifikation von 1/2 Monatsgehalt. Die Zeiten sind schlecht geworden. Ende 2002 stellen die Mitarbeiter fest, daß Joschka nichts gezahlt hat. Arbeitgeber Joschka ist der Ansicht, daß er wegen schlechter wirtschaftlicher Lage seine freiwillige Leistung jederzeit einstellen können.
    Arbeitgeberin Claudia unterliegt dem Metalltarifvertrag. Sie möchte da raus und die Gratifikation einstellen. Geht das?
    Spediteur Gregor hat Fahrer Lothar nach langem Verhandeln vertraglich Weihnachtsgeld in Höhe von 1.000 DM zugesichert. Jetzt kommt der Auftragseinbruch. Deshalb zahlt er für das Jahr 2000 nur 500 DM Weihnachtsgeld. Lothar will klagen.

Die Lösung

1. Allgemeines

    Die Änderung von vertraglichen Zusagen ist immer schwierig. Das arbeitsrechtliche Instrumentarium dazu ist für den Arbeitgeber begrenzt, nämlich:
    – Änderungskündigung,
    – Änderungsvertrag,
    – Widerrufsvorbehalt.

2. Änderungsvertrag

    Ein Änderungsvertrag ist nur dann möglich, wenn beide Seiten einverstanden sind. Arbeitgeber Joschka kann seinen Mitarbeitern den vertraglichen Verzicht auf Gratifikation anbieten. Dabei ist dann zu unterscheiden, ob die Weihnachtsgratifikation auf Dauer oder nur für das nächste Jahr entfallen soll.
    Spediteur Gregor kann auch dem Fahrer Lothar eine Verringerung des vertraglichen Anspruches anbieten. Auch hier muß geklärt werden, ob der Verzicht oder die Verringerung dann auf Dauer erfolgen soll.
    Sind die Arbeitnehmer damit nicht einverstanden, so ist diese Möglichkeit des Änderungsvertrags gescheitert.

3. Änderungskündigung

    Eine Änderungskündigung ist nach den §§ 1, 2 Kündigungsschutzgesetz dann möglich, wenn wirtschaftliche oder andere Gründe den Arbeitgeber zur Verringerung der Leistung zwingen. Im Zweifel muß der Arbeitgeber aber vor dem Arbeitsgericht die wirtschaftliche Notwendigkeit der Kürzung oder des Wegfalls der Leistung darlegen und beweisen.
    Außerdem muß bei der Änderungskündigung berücksichtigt werden, daß die Arbeitsverhältnisse und Vertragsbedingungen einzelner Arbeitnehmer gar nicht ohne weiteres kündbar sind, z.B. Schwerbehinderte, Schwangere, Betriebsräte, Stadtverordnete, Ausländerbeiräte etc. Für diese Arbeitnehmer entfällt ein solches Instrumentarium regelmäßig.

4. Widerrufsvorbehalt

    Die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation ist in der Regel freiwillig, wenn nicht zwingende Tarifverträge kraft Organisationszugehörigkeit oder Allgemeinverbindlichkeit im Betrieb gelten.
    Der Arbeitgeber kann sich deshalb bei dieser freiwilligen Leistung zu Beginn der Zahlung den jederzeitigen Widerruf der Leistung vorbehalten. Er kann auch bei jeder jährlichen Zahlung erklären, daß diese Zahlung einmalig ist und kein Rechtsanspruch für die Zukunft besteht. Entscheidend für den Widerrufsvorbehalt ist jedoch, daß diese Erklärung eindeutig, klar und letztlich auch beweisbar erfolgt. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich dringend, den Widerrufsvorbehalt schriftlich zu formulieren. Der Widerrufsvorbehalt führt dazu, daß der Arbeitgeber nach den Grundsätzen des billigen Ermessens die Leistung für die Zukunft widerrufen und einstellen kann.
    In diesen Fällen ist die hohe Hürde des Kündigungsschutzgesetzes vom Arbeitgeber nicht zu beachten. Es sind allerdings reine Willkürentscheidungen ausgeschlossen.

5. Vorbehaltlose Zahlung / Betriebliche Übung

    Nach ständiger Rechtsprechung bindet sich der Arbeitgeber entweder dann, wenn er eine Zusage definitiv macht, ohne sich einen Widerruf vorzubehalten. Dann bleibt ihm nur die Möglichkeit der Änderungskündigung oder des Änderungsvertrages.
    Sofern der Arbeitgeber durch eine betriebliche Übung stillschweigend eine bestimmte Weihnachtsgratifikation zahlt, kann jedoch ebenfalls eine Bindung entstehen. Die Rechtsprechung geht davon aus, daß nach dreimaliger vorbehaltloser Zahlung von Weihnachtsgratifikationen durch den Arbeitgeber für die Zukunft eine Rechtsbindung entstanden ist. Durch die dreimalige vorbehaltlose Zahlung hat er in der Regel einen Vertrauenstatbestand gesetzt, auf den sich der Arbeitnehmer verlassen darf. Auch hier ist dann der Arbeitgeber gebunden.
    Sowohl Arbeitgeber Joschka wie auch Spediteur Gregor haben einen Widerrufsvorbehalt nicht gemacht. Arbeitgeber Joschka hat 5 Jahre lang vorbehaltlos gezahlt. Arbeitgeber Gregor hat sogar eine ausdrückliche Zusage gegeben.
    Sie müßten eine Änderungskündigung aussprechen, die gerichtlich überprüfbar ist. Sie müssen allerdings bedenken, daß einzelne Arbeitsverhältnisse gar nicht so ohne weiteres kündbar sind (Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsräte etc.).

6. Tarifvertrag

    Metallarbeitgeberin Claudia ist durch den Manteltarifvertrag gebunden. Bei einer zwingenden, normativen Tarifbindung (Verbandszugehörigkeit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber) kann der Arbeitgeber nicht von dem Tarifvertrag abweichen. Arbeitnehmer können bei Mitgliedschaft in der Gewerkschaft noch nicht einmal auf tarifvertragliche Rechte verzichten.
    Im Falle einer normativen Geltung des Tarifvertrages kann deshalb Arbeitgeberin Claudia die Weihnachtsgratifikation nicht absenken, weder durch Änderungsvertrag, noch durch Änderungskündigung, noch durch Widerrufsvorbehalt.
    Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Tarifvertrag lediglich einzelvertraglich vereinbart wurde, also eine normative Bindung des Tarifvertrags fehlt. Dann könnte per Änderungsvertrag oder Änderungskündigung bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen eine Absenkung erreicht werden.

>> Nächste Folge: Einschränkungen des Anspruchs auf Weihnachtsgratifikation
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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug