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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 101: Höhe des Weihnachtsgelds und Gleichbehandlung

Die Höhe der Weihnachtsgratifikation ist von Branche zu Branche, manchmal auch innerhalb des Betriebes unterschiedlich geregelt. Es stellt sich insbesondere die Frage der Gleichbehandlung.

Der Fall

    Im Sängerheim der Liedertafel Concordia Kreuzberg gärt es. Der Reiniger Edmund, der Autobauer Gerd, die Marktfrau Herta, die Bankangestellten Guido und Cornelia und die Uni-Angestellte Angela bekommen jeweils ganz unterschiedliche Weihnachtsgratifikationen.
    Der Kraftfahrer Lothar bekommt von seinem Arbeitgeber gar nichts. Dies findet er sehr ungerecht. Er beruft sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der korrekte Reiniger Edmund und die Verkäuferin Herta möchten ebenso wie die Bankangestellten Guido und Cornelia ein 13. und 14. Monatsgehalt. Auch sie berufen sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz.

Die Lösung

1. Höhe des Weihnachtsgeldes

    Die Höhe der Weihnachtsgratifikation und die sonstigen Bedingungen sind von Branche zu Branche sehr unterschiedlich geregelt. Ebenso ist die Bereitschaft der verschiedenen Arbeitgeber zur Zahlung einer Weihnachtsgratifikation unterschiedlich groß.
    Dies hat zum Ergebnis, daß die Sängerrunde Kreuzberg von Edmund bis Lothar beim Weihnachtsgeld Gewinner und Verlierer feststellt.
    Diese scheinbare Ungerechtigkeit ist jedoch von den Tarifvertragsparteien, vom jeweiligen Arbeitgeber oder von den jeweiligen Arbeitsvertragsparteien so gewollt. Die Gerichte sind daran gebunden.
    Deshalb können der Reiniger Edmund und die Verkäuferin Herta nicht ohne weiteres ein halbes 13. und 14. Monatsgehalt durchsetzen, auch wenn im Bankensektor solche Leistungen erbracht werden.
    Die Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz geht hier fehl. Nur gleiche Tatbestände müssen gleich behandelt werden. Die Höhe der Gratifikation, das Ob und das Wie der Gratifikation richtet sich stets nach der Anspruchsgrundlage, die ganz unterschiedlich ist.

2. Gleichbehandlungsgrundsatz

    Die Rechtsprechung hat einen Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen verschiedenen Betrieben bzw. zwischen verschiedenen Unternehmen generell nicht anerkannt. Dies gilt erst recht dann, wenn die Arbeitnehmer in verschiedenen Branchen beschäftigt sind. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist generell betriebsbezogen, ggf. noch unternehmensbezogen. Die Rechtsprechung kann weder Edmund, dem Reiniger, noch Herta, der Verkäuferin, noch Lothar, dem Kraftfahrer insoweit helfen.

3. Innerbetrieblicher Gleichbehandlungsgrundsatz

    Etwas anderes kann gelten, wenn innerhalb eines Betriebes zwischen einzelnen Arbeitnehmern und ihren Ansprüchen differenziert wird. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gilt innerhalb des Betriebes, ggf. auch innerhalb eines Unternehmens.
    Der Gleichbehandlungsgrundsatz bedeutet, daß ein Arbeitgeber bei Gewährung von Leistungen, z.B. einer Weihnachtsgratifikation, nicht willkürlich einzelne Arbeitnehmer von der Gewährung der Leistung ausnehmen darf. Willkürlich ist der Ausschluß dann, wenn die Differenzierungsmerkmale des Arbeitgebers von der Rechtsordnung nicht akzeptiert werden.
    Die Rechtsordnung verbietet nicht, daß auch bei der Weihnachtsgratifikation innerhalb des Betriebes nach Arbeitnehmergruppen unterschieden wird. Allerdings muß die Unterscheidung stets auf einem sachlichen Grund beruhen. Liegt dieser nicht vor, verstößt der Arbeitgeber gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
    Beispiele: Der Arbeitgeber darf bei der Zahlung und der Höhe der Weihnachtsgratifikation nicht nach Geschlecht, Teilzeitarbeit, Gewerkschaftszugehörigkeit, Staatsangehörigkeit, Arbeitern und Angestellten unterscheiden. In der Vergangenheit lag oft eine mittelbare Frauendiskriminierung deshalb vor, weil Arbeitgeber Teilzeitbeschäftigten die Gratifikation dann verweigert haben. Auch Geringbeschäftigte haben Anspruch auf eine anteilige Gratifikation!

4. Willkürlicher Ausschluß

    Wird in der Spedition des Fahrers Lothar keinem Arbeitnehmer eine Weihnachtsgratifikation gezahlt, so ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Wäre aber Lothar der einzige Mitarbeiter, der keine Gratifikation erhält, so wäre dieser Ausschluß von Lothar im Zweifel willkürlich und grob rechtswidrig. Der Arbeitgeber müßte zahlen.
    Der Gleichbehandlungsgrundsatz läßt eine Bildung von Arbeitnehmergruppen zu, die eine Leistung bekommen oder nicht bekommen, wenn ein sachlicher Grund vorliegt.
    Zahlt der Spediteur Joschka den Büroangestellten eine Weihnachtsgratifikation und den Fahrern nicht, so müßte ein sachlicher Grund für die Differenzierung vorliegen. Dies ist im Zweifel aber nicht der Fall. Im Zweifel ist diese Differenzierung willkürlich und rechtswidrig.
    Lothar hat also gute Klageaussichten, wenn der Arbeitgeber allen anderen Mitarbeitern oder bestimmten Arbeitnehmergruppen Weihnachtsgeld zahlt und der Fahrer Lothar ohne sachlichen Grund ausgeschlossen ist.

5. Keine Ungleichbehandlung

    Der Arbeitgeber Gregor hat das Recht, einzelnen Arbeitnehmern mehr zu zahlen, als anderen Arbeitnehmern. Die Bevorzugung einzelner Arbeitnehmer kann unterschiedliche Gründe haben, z.B. im Leistungsbereich oder im Privatbereich.
    Sofern der Arbeitgeber nur mit einzelnen Arbeitnehmern eine höhere Vergütung, eine höhere Weihnachtsgratifikation oder bessere Konditionen vereinbart, liegt generell keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vor. Dies wird von Arbeitnehmern oft verkannt.
    Achtung: Der Gleichbehandlungsgrundsatz setzt voraus, daß eine Gruppe von Arbeitnehmern bessergestellt ist und der einzelne Arbeitnehmer willkürlich aus der Gruppe ausgeschlossen wird. Eine solche Gruppenbildung liegt aber nicht bei echten Individualvereinbarungen vor, mit denen einzelne Arbeitnehmer bessergestellt werden.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug