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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 52: Zeugnisbenotung und Geheimzeichen

Nichts erregt mehr Ärgernis und Streit als die Zeugnisbenotung. In den allermeisten Zeugnisrechtsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten wird insbesondere die Zeugnisbenotung angegriffen. Daneben aber besteht immer wieder der Verdacht und die Angst bei Arbeitnehmern, daß das Zeugnis irgendwelche geheimen Zeichen enthalten soll.

Der Fall:

    Meister Pfriem schreibt den ausscheidenden Mitarbeitern Rumpelstilzchen und Rotkäppchen auf deren Wunsch jeweils ein qualifiziertes Zeugnis. Dies tut er nicht gern. In den Arbeitsverhältnissen der beiden gab es diverse Probleme.
    Als Rotkäppchen das Zeugnis betrachtet, fällt ihr auf, daß die Unterschrift des Pfriem im ausgehenden “m” mit einem linken Haken endet, wie eine Art Unterstreichung. Außerdem ist auf dem Firmenbogen die Telefonnummer unterstrichen. Bei Rumpelstilzchen sind 2 Sätze mit Ausrufezeichen versehen. Auch stehen Unterstreichungen im Text.
    Beiden erscheint dies als verdächtige Geheimzeichen. Rumpelstilzchen erhält von Meister Pfriem die Bewertung “insgesamt zu unserer Zufriedenheit”. Bei Rotkäppchen stellt Pfriem fest, daß sie bemüht war, stets zur Freude des Arbeitgebers zu arbeiten. Deshalb habe sie “stets zur vollen Zufriedenheit” gearbeitet. Rumpelstilzchen ist mit dieser Benotung überhaupt nicht einverstanden. Rotkäppchen ist hin und hergerissen. Was hat diese Benotung zu bedeuten?

Die Lösung:

1. Geheimzeichen

    Menschen, die zu Verschwörungstheorien neigen, oder Arbeitnehmer, die im Streit vom Arbeitgeber scheiden, haben immer wieder den Verdacht, daß in ihrem scheinbar positiven Zeugnis irgendwelche geheimen Zeichen für neue Arbeitgeber enthalten sind.
    Im Normalfall ist dies sicherlich nicht richtig. Wenn solche Geheimzeichen enthalten wären, würde sie im Zweifel der neue Arbeitgeber als Adressat mangels Kenntnisse auch gar nicht verstehen. Gleichwohl aber gibt es gewisse Absonderlichkeiten, auf die die Arbeitgeber und Arbeitnehmer achten sollten, deren Beseitigung der Arbeitnehmer verlangen kann.
    Dazu gehören z.B. Eselsohren, Flecke und Unsauberkeiten. Der Arbeitgeber hat ein ordentliches und sauberes Zeugnis zu übergeben. Eselsohren könnten eine Kundgabe der Mißachtung enthalten.
    Es wird die Ansicht vertreten, daß ein scheinbarer Ausrutscher bei der Unterschrift nach links die Zugehörigkeit zu einer linksgerichteten Organisation andeuten solle, umgekehrt der Ausrutscher nach rechts die Zugehörigkeit zu einer rechtsgerichteten Organisation. Dies scheint mir sehr weit hergeholt zu sein. Der Schlenker nach links bei Rotkäppchen kann vielleicht eher eine Unterstreichung der Unterschrift sein, wie es z.B. bei vielen französischen Unterschriften der Fall ist. Dem Arbeitgeber ist kaum vorzuschreiben, wie er seine Unterschrift zu tätigen hat, zumal viele Unterschriften von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in sich ohnehin problematisch sind.
    Dagegen ist das Unterstreichen der Telefonnummer auf dem Firmenbogen ungewöhnlich und könnte ein Geheimzeichen oder einen Hinweis auf einen zu erwartenden Anruf enthalten. Dies ist zu unterlassen.
    Ähnliches gilt für Ausrufungszeichen und Unterstreichungen innerhalb des Textes, wie dies bei Rumpelstilzchen durch Meister Pfriem vorgenommen wurde. Zeugnisse sollten einen gewissen sachlichen Charakter enthalten. Ausrufungszeichen sind normalerweise unangebracht. Dies gilt erst recht für Unterstreichungen. Rumpelstilzchen kann die Entfernung verlangen.

2. Bewertungen

    Das Zeugnis muß Bewertungen zur Führung und Leistung enthalten. Kein Arbeitgeber ist an eine bestimmte Bewertungsskala gebunden. Er kann die Bewertung mit eigenen Worten durchführen. Dies ist auch generell empfehlenswert, um die abgedroschene “Zufriedensheits-Skala” zu vermeiden.

3. Die “Zufriedenheits-Skala”

    Aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauches und des Verkehrsgebrauches hat sich eine Benotungsskala herauskristallisiert. Diese Benotungsskala ist nirgendwo von der Rechtsprechung oder dem Gesetzgeber ausdrücklich sanktioniert worden. Sie hat auch sehr viele Mängel und Unklarheiten. Gleichwohl kommen die Gerichte und Arbeitsvertragsparteien aufgrund der allgemeinen Gebräuchlichkeit nicht völlig daran vorbei. Es haben sich folgende Bewertungen als Standard herausentwickelt:

    sehr gut: “stets zu unserer/meiner vollsten Zufriedenheit” oder “stets zu unserer außerordentlichen Zufriedenheit”,

    gut: “stets zu unserer vollen Zufriedenheit”. “Zu unserer vollsten Zufriedenheit” (eventuell auch sehr gut bis gut),

    befriedigend: “zu unserer vollen Zufriedenheit” oder “stets zu unserer vollen Zufriedenheit”,

    ausreichend: “zu unserer Zufriedenheit” oder “stets zu unserer Zufriedenheit”,

    mangelhaft: “insgesamt/weitgehend/im großen und ganzen zu unserer Zufriedenheit” oder “zu unserer Zufriedenheit”,

    ungenügend: “er war bemüht/mit Eifer strebte er danach/es gelang ihm partiell zu unserer Zufriedenheit”.

4. Abweichungen

    Von diesen Standardformulierungen gibt es vielerlei Abweichungen und Variationen. Diese Variationen müssen dann im Einzelfall gewertet werden.
    Die Bewertung von Rumpelstilzchen von Meister Pfriem “insgesamt zu unserer Zufriedenheit” ist eine mangelhafte Formulierung. Deshalb ist Rumpelstilzchen verständlicherweise nicht zufrieden.
    Die Bewertung von Rotkäppchen von Meister Pfriem ist in sich widersprüchlich. Zum einen ist sie “gut” bewertet mit der Formulierung “stets zu unserer vollen Zufriedenheit”. Andererseits hat Meister Pfriem aber auch die Formulierung “sie war bemüht” verwandt, die eher für eine mangelhafte Bewertung spricht. Hier hat Rotkäppchen den Anspruch auf eine klare Formulierung. Meister Pfriem muß entsprechend korrigieren.

5. Checkliste

  • Geheimzeichen sind in Zeugnissen selten und oft unverständlich. Zuviel Mißtrauen ist insoweit nicht angebracht.
  • Das Zeugnis muß sauber sein, ohne Flecken, Eselsohren.
  • Es muß auf Firmenbogen / Praxisbogen geschrieben sein.
  • Zeugnisbewertung: Die “Zufriedenheitsskala” ist allgemein gebräuchlich, aber unzuverlässig. Besser sind andere Benotungen mit mehr Aussagekraft.
  • Die Bewertung / Note muß mit den sonstigen Wertungen im Einklang stehen. Andernfalls liegt ein Bruch vor, der problematisch ist.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug