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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 29: Probleme bei der Veränderung der Arbeitszeit nach dem Teilzeitgesetz
Die Probleme der betrieblichen Praxis bei der Veränderung der vertraglichen Arbeitszeit nach dem Teilzeitgesetz (TzBfG) sind vielfältig. Sie sind in ihren Einzelheiten noch nicht
überschaubar. Deshalb ist es wichtig, daß die schon vorhandenen Problemstellungen von Arbeitgebern, Betriebsräten und Arbeitnehmern beachtet werden.
Der Fall:
Die Lebemenschen und Yuppies Jerome und Herodes hatten bei ihrem Arbeitgeber Paulus die Verringerung ihrer täglichen Arbeitszeit morgens und abends um jeweils 1 Stunde beantragt, um
ihrem Nachtleben besser Rechnung tragen zu können. Die im Erziehungsurlaub befindliche Esther beantragte für die Zeit nach dem Erziehungsurlaub eine Halbtagsbeschäftigung vormittags. Arbeitgeber Paulus
war des vielen Streits müde und sagte allen 3 Arbeitnehmern die von ihnen gewünschte Verkürzung der Arbeitszeit und die neue Verteilung der Arbeitszeit zu. Nach wenigen Wochen aber erkannte der amtsmüde Paulus,
daß er falsche Entscheidungen getroffen hatte. Die betrieblichen Abläufe wurden durch die Abwesenheit von Jerome und Herodes erheblich gestört. Anderer Arbeitnehmer mußten Überstunden leisten. Für die reduzierte
Esther fand sich kein Ersatzarbeitnehmer am Nachmittag. Arbeitgeber Paulus will das Rad ohne Änderungskündigung zurückdrehen, soweit es geht.
Die Lösung:
1. Änderung der Verteilung / Lage der Arbeitszeit
Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Arbeitgeber die Verteilung bzw. die Lage der Arbeitszeit nachträglich einseitig ändern. Das Gesetz sieht in § 8 Abs. 5 Satz 4 Teilzeit- und
Befristungsgesetz (TzBfG) vor, daß der Arbeitgeber die festgelegte Verteilung der Arbeitszeit wieder ändern kann, wenn das betriebliche Interesse an der Wiederherstellung des alten Zustandes das Interesse des
Arbeitnehmers an der Beibehaltung erheblich überwiegt. Dabei muß der Arbeitgeber eine Ankündigungsfrist von 1 Monat einhalten. Der Gesetzgeber hat damit eine zweite Durchbrechung des Grundsatzes der
Vertragsfreiheit geschaffen. Achtung:
Diese Möglichkeit des Arbeitgebers auf Wiederherstellung des alten Zustandes bezieht sich nur auf die Verteilung und die Lage der Arbeitszeit, nicht auf den Umfang der Arbeitszeit! Das Recht des Arbeitgebers
auf Herstellung des alten Zustandes ist letztendlich wie das Recht auf Teilzeit systemfremd. Es enthält rechtstechnisch eine Art von legaler “Teilkündigung”. Voraussetzung ist ein betriebliches Interesse,
das das Interesse der Arbeitnehmer an der Beibehaltung des vereinbarten oder gesetzlichen eingetretenen neuen Zustandes erheblich überwiegt. Hier hat der Gesetzgeber durch das “erhebliche” Überwiegen eine höhere
Hürde gesetzt. Letztendlich ist aber eine Interessenabwägung für diesen einseitigen Akt notwendig. Fall 1:
Jerome und Herodes wollen ihren jugendlichen Trieben genügen. Soweit der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, die ausgefallene Arbeit in der ersten und der letzten Stunde der Betriebstätigkeit anderweitig aufzufangen, hat er im Zweifel ein erhebliches betriebliches Interesse an der Wiederherstellung des alten Zustandes. Dieses Interesse überwiegt im Zweifel die hedonistischen Züge der Mitarbeiter Jerome und Herodes.
Fall 2:
Die Interessenabwägung geht im Falle der Mutter Esther anders aus. Paulus hat ein berechtigtes Interesse daran, daß die notwendigen Arbeiten auch am Nachmittag durchgeführt werden. Andererseits aber hat Esther ihre Arbeitszeit reduziert, um ihr Kind großziehen zu können. Bei einer Verlegung ihrer Arbeitszeit ganz oder teilweise auf den Nachmittag wäre sie vielleicht sogar zur Aufgabe ihres Arbeitsverhältnisses gezwungen, um ihr Kind zu erziehen. Dann wäre die Reduzierung der Arbeitszeit mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verbunden. Bei dieser Interessenabwägung überwiegt im Zweifel das Interesse der Mutter Esther.
2. Wartezeit
Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Verringerung der Arbeitszeit vereinbart, oder ist eine Verringerung der Arbeitszeit rechtmäßig vom Arbeitgeber abgelehnt worden, so kann eine
erneute Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach Ablauf von 2 Jahren vom Arbeitnehmer verlangt werden, § 8 Abs. 6 TzBfG. Auch hier muß der Arbeitnehmer mit neuen Wünschen mindestens 2 Jahre warten. Diese
Regelung ist analog auf den Fall anzuwenden, daß der Arbeitgeber die Ablehnungsfrist von 1 Monat verpaßt hat und deshalb das Arbeitsverhältnis neu gestaltet wurde. Diese Veränderungssperre soll dem
Arbeitgeber eine gewisse Rechtssicherheit dahin bieten, daß nicht einzelne Arbeitnehmer in immer kürzeren Abständen Veränderungen verlangen.
3. Suche nach einer Ersatzkraft
Ist die Zeit zwischen Antragstellung und der gewünschten Änderung sehr kurz, so hat der Arbeitgeber Schwierigkeiten, eine eventuell erforderliche Ersatzkraft in der Zeit von 2 oder 3
Monaten zu finden. Es wäre fatal, wenn der Arbeitgeber dann die gewünschte Veränderung ablehnt mit dem Hinweis, daß keine andere Ersatzkraft gefunden wurde. Dies gilt vor allem dann, wenn nach dem
Erziehungsurlaub eine Arbeitnehmerin völlig berechtigt nur noch in Teilzeitarbeit zurückkehren möchte. Sofern in diesem Falle die 2-jährige Veränderungssperre des § 8 Abs. 6 TzBfG greift, bliebe ihr kaum eine
andere Möglichkeit, als das Arbeitsverhältnis zu beenden. Esther könnte nicht 2 Jahre Vollzeit arbeiten, um danach erneut ihren Antrag auf Teilzeit zu stellen. Aus diesem Grunde ist zu prüfen, ob in diesen
Fällen der noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsfindung, der noch laufenden Bewerbungsgespräche etc., nicht möglicherweise der gewünschte Beginn der Teilzeit auch im Interesse der Teilzeitarbeitnehmer
verschoben werden muß. Der Gesetzgeber hat dieses Problem nicht gesehen und nicht gelöst. Die Rechtsprechung wird sich damit befassen müssen. Achtung:
Genau aus diesem Grunde empfiehlt es sich für die Arbeitnehmer dringend, ihren Veränderungsantrag beim Arbeitgeber so früh wie möglich schriftlich einzureichen. Je früher der Antrag kommt, desto mehr Zeit hat der Arbeitgeber, eine Ersatzkraft zu suchen, falls er eine solche einstellen will oder muß. Das Problem stellt sich dann nicht, wenn der Arbeitgeber auf eine Ersatzkraft verzichtet, um die Arbeit zu rationalisieren oder umzuverteilen. Je früher der Antrag gestellt ist, umso weniger kann sich der Arbeitgeber darauf berufen, daß in der kurzen Frist eine Ersatzkraft nicht auffindbar war.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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