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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 27: Teilzeitanspruch / Gesetzliche Ablehnungsgründe
Der Gesetzgeber hat einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit gesetzlich festgelegt. Der Arbeitgeber muß jedoch nicht jedem Anspruch stattgeben. Er kann bei
entgegenstehenden betrieblichen Gründen ablehnen.
Der Fall:
Arbeitgeber Paulus meinte, alles in seinem Betrieb gut organisiert zu haben. Da kommen die Arbeitnehmer Lukas, Moses und Esther und wollen ihre Vollzeitarbeit auf Teilzeitarbeit kürzen.
Die Mitarbeiterin Esther will nach dem Erziehungsurlaub nur noch halbtags vormittags arbeiten, Arbeitnehmer Moses nur noch von Dienstag bis Donnerstag, allerdings mit 30 Stunden, d.h. 10 Stunden pro Arbeitstag.
Arbeitnehmer Lukas will den Freitag streichen und 5 Wochenstunden weniger arbeiten. Welche betrieblichen Gründe könnten von dem in Unruhe befindlichen Arbeitgeber Paulus dagegengehalten werden?
Die Lösung:
1. Betriebliche Ablehnungsgründe
Der Gesetzgeber hat in § 8 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bestimmt, daß der Arbeitgeber der Verringerung der Arbeitszeit und der gewünschten Verteilung der neuen
Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer zustimmen muß, soweit betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Diese betrieblichen Gründe können vielfältig sein. In der vorangegangenen Folge habe ich den in der Praxis wohl
wichtigsten Grund des Fehlens einer geeigneten Ersatzkraft erörtert. Der Gesetzgeber hat entgegenstehende betriebliche Gründe in § 8 Abs. 4 TzBfG genannt. Dabei handelt es sich aber nicht um eine
abschließende Aufzählung, sondern nur um Beispiele. Diese Beispiele zeigen aber, daß der Prüfungsmaßstab für die betrieblichen Gründe nicht zu niedrig angesetzt werden darf.
2. Betriebliche Organisation
Ein der Teilzeit entgegenstehender betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn durch die Teilzeitarbeit die betriebliche Organisation wesentlich beeinträchtigt würden. Die
Organisation eines Betriebes betrifft verschiedene übergeordnete Dinge, z.B. die Organisation und Leitung des Betriebes, die Abteilungsorganisation, die Struktur der Arbeitnehmerschaft. Die Organisation des
Betriebes betrifft im wesentlichen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Aus diesem Grunde wird die Ansicht vertreten, daß ein Arbeitgeber frei darüber entscheiden könne, ob er nur Vollzeitarbeitnehmer
beschäftige, oder aber auch Teilzeitarbeitnehmer. Dies halte ich für sehr fraglich. Der Gesetzgeber hat nämlich in § 6 des Gesetzes ausdrücklich festgehalten, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmern
Teilzeitarbeitsplätze zu ermöglichen hat. Insoweit ist die unternehmerische Freiheit eingeschränkt. Die generelle Ablehnung von Teilzeitarbeitsplätzen bedarf deshalb eines weiteren nachvollziehbaren und
sachlich-proportionalen Grundes. Dies gilt auch für die Leitungsfunktionen. Generell muß davon ausgegangen werden, daß die allermeisten Arbeitsplätze teilbar sind, auch bis zu einem gewissen Grad
Leitungsfunktionen. So sieht es der Gesetzgeber in § 6 des Gesetzes. Darüber hinaus wird verlangt, daß die Organisation des Betriebes “wesentlich” beeinträchtigt wird durch die Einführung von Teilzeitarbeit.
Eine solche Begründung durch den Arbeitgeber ist deshalb nicht einfach.
3. Beeinträchtigung der Arbeitsabläufe
Die Teilzeitarbeit kann zurückgewiesen werden, wenn sie die Arbeitsabläufe wesentlich beeinträchtigt. Dies kann bei festen Organisationsstrukturen häufiger der Falls sein. Im Falle
bestimmter Maschinenlaufzeiten oder eines Schichtsystems ist es kaum möglich, daß ein Arbeitnehmer nach der Art von Lukas oder Moses einfach einen oder zwei Arbeitstage streicht. Gerade bei schwierigeren
Maschinen- oder Schichttätigkeiten ist es nicht ohne weiteres möglich, einen Ersatzarbeitnehmer für eine Teilschicht oder einen Teil der Maschinenlaufzeit einzusetzen. Arbeitsabläufe können auch gestört
werden bei häufigen Reisetätigkeiten, z.B. im Bereich der Spedition und Fernfahrer. Inwieweit Arbeitsabläufe durch Teilzeitarbeit im Bereich des Kundenverkehrs beeinträchtigt werden, muß im Einzelfall
beurteilt werden. Solche Beeinträchtigungen werden z.B. im Bereich des Verkaufes, der Auftragsbearbeitung, des Chefsekretariats etc. behauptet. Dies ist aber nicht generell einleuchtend. Arbeitsabläufe
können dagegen leichter gestört werden, wenn intensive Übergabegespräche und intensive Einweisungen für jede Übergabe erforderlich sein sollten.
4. Unverhältnismäßig hohe Kosten
Der Teilzeitwunsch des Arbeitnehmers darf nicht unverhältnismäßig sein. Er darf deshalb dem Arbeitgeber keine hohen oder unverhältnismäßigen Kosten aufbürden. Der Arbeitnehmer muß
bedenken, daß der Zweck der Betriebstätigkeit insgesamt die Erzielung von Profit und Gewinnen ist. Das Arbeitsverhältnis ist ein Austauschverhältnis, nämlich Leistung gegen Lohn. Zu hohe Arbeitskosten machen
eine Weiterbeschäftigung oder eine Veränderung der Arbeitszeit dem Arbeitgeber unzumutbar. Eine unverhältnismäßige Kostenbelastung kann insbesondere dann gegeben sein, wenn die Teilzeitarbeit erhebliche
Zusatzinvestitionen (z.B. die Einrichtung eines technisch aufwendigen oder teuren Arbeitsplatzes oder zusätzliche Büroräume erfordert. Dies gilt auch für eine sehr lange Einarbeitungszeit. Allerdings kann der
Arbeitgeber in der Regel nicht anführen, daß ein erhöhter Verwaltungskostenaufwand durch die Teilzeitarbeit erforderlich sei. Dies ist mittlerweile widerlegt. Ein erhöhter Verwaltungsaufwand würde im übrigen
durch andere Vorteile der Teilzeitarbeit kompensiert.
5. Sicherheitsfragen
Die Sicherheit im Betrieb darf nicht wesentlich durch Teilzeitarbeitnehmer beeinträchtigt werden. Dies gilt insbesondere für die Vermehrung von Geheimnisträgern.
6. Überschreitung von Schwellenwerten
Die Vermehrung der Mitarbeiter durch Teilzeitkräfte kann im Einzelfall zur Erhöhung von gesetzlichen Arbeitnehmerwerten führen: – Das Kündigungsschutzgesetz gilt bei mehr als 5
Vollzeitarbeitnehmern. Teilzeitarbeitnehmer bis 20 Std. werden mit 0,5 und bis 30 Std. mit 0,75 berücksichtigt. – Ab 300 (evtl. schon ab 200) Arbeitnehmern ist mindestens ein Betriebsratsmitglied unter
Vergütungsfortzahlung freizustellen. – Ab 20 Arbeitnehmern erhöht sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. – Ab 20 Arbeitnehmern entsteht bei Betriebsveränderungen die Pflicht zum
Interessenausgleich und Sozialplan. Die Überschreitung dieser gesetzlichen Schwellenwerte ist nur eine Folge der Wahrnehmung von Rechten der Arbeitnehmer. Nach § 5 des Gesetzes darf der Arbeitgeber
Arbeitnehmer nicht wegen der Inanspruchnahme ihrer Rechte nach diesem Gesetz benachteiligen. Deshalb führt m.E. die Ausweitung der Mitarbeiterzahl die dadurch entstehende zusätzliche Belastung des
Arbeitgebers nicht zu einem betrieblichen Ablehnungsgrund. Der Arbeitgeber hat keinen originären Rechtsanspruch darauf, die Betriebsgröße unter einem bestimmten Schwellenwert zu halten. Der Eingriff in die
unternehmerische Freiheit ist nicht unverhältnismäßig.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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