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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 23: Schutz der Teilzeitarbeitnehmer

Das neue Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hat verschiedene Zielrichtungen. Zum einen sollen Teilzeitarbeitnehmer vor Diskriminierung geschützt werden. Zum anderen soll die Teilzeit gefördert werden, um so zusätzliche, neue Arbeitsplätze zu schaffen. 


Der Fall:

    Arbeitgeber Gustav Schwab zahlt seinem Vollzeitarbeiter Ludwig Uhland sämtliche Sozialleistungen, nämlich Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Fahrtkostenersatz, Essensgeld, eine Gewinnbeteiligung. Er zahlt auch Überstundenzuschläge.
    Der Halbtags-Buchhalter Eduard Mörike erhält die Sozialleistungen anteilig, aber keine Fahrkosten und kein Essensgeld und keine Überstundenzuschläge.
    Die Geringbeschäftigte Sappho erhält keinerlei Sozialleistungen und keine Überstundenzuschläge.
    Im übrigen steht Arbeitgeber Gustav Schwab auf dem Standpunkt, daß nur Vollzeitarbeitnehmer wirklich zum Wohl der Firma beitragen. Aus diesem Grund gibt es Betriebsrente nur für Vollzeitarbeitnehmer. Auch die Beförderung findet nur für Vollzeitarbeitnehmer statt.
    Die Geringbeschäftigte Sappho, aber auch Halbtags-Buchhalter Eduard Mörike sind damit überhaupt nicht einverstanden. 


Die Lösung:

1. Begriff der Teilzeit

    Der Gesetzgeber hat nunmehr in § 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) die Teilzeit definiert:
    Teilzeitbeschäftigt ist danach der Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist, als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.
    Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so ist ein Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, wenn seine regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraums unter der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers bleibt. Vergleichbar ist der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer des Betriebes, der mit derselben Art des Arbeitsverhältnisses eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit ausführt. Sofern im Betrieb keine vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer vorhanden sind, muß ein vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter aufgrund des anwendbaren Tarifvertrages bestimmt werden bzw. ein Arbeitnehmer im jeweiligen Wirtschaftszweig.
    In der Regel ist also davon auszugehen, daß derjenige Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt ist, der weniger als die tarifübliche oder betriebsübliche Wochenarbeitszeit der entsprechenden Mitarbeiter arbeitet. Dabei liegt Teilzeit schon vor, wenn ein Arbeitnehmer auch nur wenige Stunden unter der betriebsüblichen oder tariflichen Wochenarbeitszeit tätig ist.

2. Geringbeschäftigte

    Die Geringbeschäftigte Sappho gehört zu den Arbeitnehmern, die in der Vergangenheit am stärksten diskriminiert oder beeinträchtigt wurden. Nunmehr hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 TzBfG geregelt, daß teilzeitbeschäftigt im gesetzlichen Sinne auch die Arbeitnehmer sind, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausüben. Diese Klarstellung des Gesetzgebers bedeutet, daß gerade auch die Geringbeschäftigten nicht wegen ihrer geringen Arbeitszeit (weniger als 15 Arbeitsstunden in der Woche und ein Arbeitsentgelt bis zu 630 DM monatlich) benachteiligt werden dürfen. Geringbeschäftigte sind nicht Arbeitnehmer 2. oder 3. Klasse!

3. Diskriminierungsverbot

    In § 4 Abs. 1 TzBfG hat der Gesetzgeber ein Diskriminierungsverbot für Teilzeitarbeitnehmer aufgenommen. Teilzeitbeschäftigte dürfen wegen der Teilzeit nicht schlechter behandelt werden, als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Mit diesem Diskriminierungsverbot ist sowohl die direkte unmittelbare Diskriminierung wegen Teilzeit, Geschlecht, Religion usw. verboten, wie auch die mittelbare Diskriminierung. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt eine mittelbare Diskriminierung der Frau vor, wenn Teilzeitarbeitnehmer wegen der Teilzeit schlechter bezahlt werden und dabei überwiegend Frauen betroffen sind.
    Wichtig, aber auch problematisch ist die weitere Regelung des Diskriminierungsverbotes:
    Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der den Teil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
    Damit ist klargestellt, daß Arbeitgeber Gustav Schwab dem Halbtagsbuchhalter Eduard Mörike und der Geringbeschäftigten Sappho nicht einfach alle oder bestimmte Sozialleistungen streichen darf mit der Begründung “Teilzeitarbeit”. Beide Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld, anteiliges Urlaubsgeld und anteilige Gewinnbeteiligung.
    Die Fahrtkosten entstehen allen Mitarbeitern, die zur Arbeit fahren, egal ob sie Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigt sind. Es ist deshalb eine verbotene Diskriminierung, wenn Arbeitgeber Gustav Schwab der Sappho und dem Eduard Mörike die Fahrkostenerstattung verweigert. Er muß zahlen.
    Problematisch ist der Zwang zur anteiligen Zahlung aller Leistungen allerdings dann, wenn sachliche Gründe für eine Schlechterstellung beim Arbeitsentgelt oder bei teilbaren geldwerten Leistungen vorhanden sind.

4. Sachliche Gründe für die Schlechterstellung

    Arbeitgeber Gustav Schwab meint, daß Teilzeitbeschäftigte grundsätzlich bei Beförderungen nicht zu berücksichtigen seien. Dies ist sicher falsch. Es gibt keinen sachlichen Grund, einem Teilzeitbeschäftigten generell die Beförderung zu verweigern.
    Ebenso ist es diskriminierend und rechtswidrig, wenn Gustav Schwab die Betriebsrente nur den Vollzeitarbeitnehmern zahlen will. Die Teilzeitkräfte haben bei gleicher Beschäftigungsdauer Anspruch auf anteilige Rente. Nur bei den Geringbeschäftigten war dies bisher umstritten. Insoweit ist die Rechtslage noch nicht geklärt.
    Ein sachlicher Grund für eine Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten könnte allerdings beim Essensgeld gegeben sein. Das Essensgeld wird für die Kantinenbenutzung bezahlt, weil die Vollzeitarbeitnehmer regelmäßig keine Zeit für einen Einkauf oder eine Mahlzeit außerhalb haben. Essensgeld an Geringbeschäftigte oder an Halbtagsarbeiter muß deshalb nach bisheriger Rechtsprechung nicht gezahlt werden.
    Festzustellen ist allerdings, daß es nur ganz wenige Fälle gibt, bei denen Teilzeitarbeitnehmer sachlich gerechtfertigt schlechter bezahlt oder schlechtergestellt werden dürfen, als Vollzeitarbeitnehmer. 

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug