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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 24. Ausschreibung und Förderung der Teilzeitarbeit

Der Gesetzgeber hat das Teilzeit- und Befristungsgesetz nicht freiwillig geschaffen. Vielmehr war er verpflichtet, zwei EU-Richtlinien umzusetzen. Wichtige Zielsetzungen waren durch die EU-Richtlinie Nr. 97/81/EWG-Teilzeitarbeit vorgegeben.


Der Fall:

    Vollzeitarbeitnehmer Ludwig Uhland möchte seine Arbeitszeit verringern. Er weiß aber nicht, welche Teilzeitarbeitsplätze sich im Betrieb bieten. Auch die Teilzeitarbeitnehmer Sappho und Buchhalter Eduard Mörike möchten ihre Arbeitszeit nach oben oder nach unten verändern. Auch ihnen fehlen die entsprechenden Informationen. Dies gilt letztendlich auch für den Betriebsrat. Was sagt nun das neue Gesetz dazu?


Die Lösung:

1. Ausschreibungspflicht

    Der Gesetzgeber verpflichtet den Arbeitgeber nunmehr in § 7 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) zur Ausschreibung von Teilzeitarbeitsplätzen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, jeden Arbeitsplatz, den er öffentlich oder innerhalb des Betriebes ausschreibt, auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Vollzeitarbeitsplatz auch als Teilzeitarbeitsplatz eignet.
    Nach § 611 b BGB muß außerdem die Ausschreibung geschlechtsneutral vorgenommen werden.
    Dieser Pflichtausschreibung wird in Zukunft erhebliche Bedeutung zukommen. Einerseits stellt die Pflicht zur Aufteilung der Arbeitsplätze schon in der Ausschreibung einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar. Dies ist verfassungsrechtlich nicht ganz unproblematisch. Andererseits führt die Pflicht zur Befassung mit der Teilzeitproblematik sowohl bei Arbeitgeber, wie auch bei dem Betriebsrat und diversen Arbeitnehmern mittel- und langfristig zu einem Umdenken. Bislang galten nur vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer als vollwertige Mitglieder des Betriebes. Dies soll sich nun nach dem Willen der Europäischen Union und des Gesetzgebers ändern.
    Die Pflicht zur Ausschreibung hat eine weitere erhebliche Bedeutung. Will später der Arbeitgeber den Teilzeitwunsch eines Vollzeitarbeitnehmers aus betrieblichen Gründen ablehnen, so wird dies nur schwerlich zu begründen sein, wenn der Vollzeitarbeitsplatz zuvor als Teilzeitarbeitsplatz ausgeschrieben war.
    Die Ausschreibung als Teilzeitarbeitsplatz indiziert bereits die Teilbarkeit des Vollzeitarbeitsplatzes. Damit ist späteren prinzipiellen Einwendungen des Arbeitgebers der Boden entzogen.
    Die Nichteinhaltung dieser Ausschreibungspflicht bleibt gesetzlich ohne Sanktion und Strafe. Allerdings ist noch unklar, ob dem Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz ein Widerspruchsrecht bei der Neubesetzung einer Vollzeitstelle zusteht, wenn diese nicht zuvor als Teilzeitstelle ausgeschrieben wurde. Gegebenenfalls kann hier der Betriebsrat mit der Blockierung der Neubesetzung den Arbeitgeber zur Ausschreibung einer Teilzeitstelle zwingen. Dies muß die Rechtsprechung noch klären.

2. Wunsch des Arbeitnehmers

    Vollzeitarbeiter Ludwig Uhland hat seinen Wunsch auf Veränderung der Arbeitszeit und Veränderung der Lage der Arbeitszeit angemeldet. Nach § 7 Abs. 2 TzBfG muß Arbeitgeber Gustav Schwab nun den Arbeiter Ludwig Uhland über sämtliche entsprechende Arbeitsplätze im Betrieb und im Unternehmen informieren, die als Teilzeitarbeitsplätze neu besetzt werden sollen.
    Dabei kommen allerdings nur die Arbeitsplätze in Betracht, für die Ludwig Uhland auch tatsächlich und vertraglich geeignet ist. Fraglich ist noch, wie diese Information des einzelnen Arbeitnehmers stattfinden muß. Eventuell reicht es aus, wenn Arbeitgeber Gustav Schwab die Information an einem allgemein zugänglichen Platz (Schwarzes Brett etc.) aktuell bekanntgibt.
    3. Betriebsratsinformation
    Der Arbeitgeber Gustav Schwab muß nach § 7 Abs. 3 TzBfG den Betriebsrat über die Teilzeitarbeit im Betrieb und im Unternehmen informieren. Er muß insbesondere ihm Auskunft geben über die vorhandenen oder auch geplanten Teilzeitarbeitsplätze und über die Umwandlung von Teilzeitarbeitsplätzen in Vollzeitarbeitsplätze und umgekehrt. Darüber hinaus muß der Arbeitgeber den Betriebsrat auf Verlangen alle erforderlichen Unterlagen für diese Arbeitsplätze bzw. die Umwandlung der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.
    Kommt der Betriebsrat zukünftig insoweit seinem Recht und seiner Pflicht zur Information nach, so können alle interessierten Arbeitnehmer sich auch an den Betriebsrat wenden. Sie können die Informationen des Arbeitgebers und des Betriebsrats vergleichen und ggf. sich entsprechend bewerben.

4. Leitende Mitarbeiter

    In § 6 TzBfG hat der Gesetzgeber die Pflicht des Arbeitgebers auf Förderung von Teilzeitarbeit festgeschrieben. Der Arbeitgeber muß allen Arbeitnehmern, insbesondere auch den Arbeitnehmern in leitenden Positionen Teilzeitarbeit nach den Vorschriften des Teilzeitgesetzes ermöglichen.
    Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, daß aus seiner Sicht die allermeisten Beschäftigungspositionen, auch im leitenden Segment, teilbar sind.
    Ob und inwieweit in leitenden Positionen tatsächlich ein Wunsch auf Teilzeitarbeit im Sinne des Gesetzes gewünscht wird, bleibt dahingestellt. Soweit leitende Mitarbeiter über hohe Arbeitsbelastung stöhnen, geht es nicht um die 35- oder 40-Stunden-Woche. Diese Mitarbeiter stöhnen eher über eine 50- oder 60-Stunden-Woche. Die von ihnen gewünschte Reduzierung auf ein “erträgliches Maß” von vielleicht 45 oder 40 Wochenstunden wird von § 6 TzBfG nicht erfaßt.

5. Beschäftigungspolitik

    Der beschäftigungspolitische Hintergrund des Teilzeitgesetzes, der Ausschreibungspflicht und des Anspruchs auf Teilzeitarbeit ergibt sich aus dem Wunsch des Gesetzgebers nach Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze bzw. Abbau der Arbeitslosigkeit. Ob dies erreicht wird, bleibt abzuwarten.
    Viele legitime Wünsche der Arbeitnehmer auf Teilzeitarbeit sind in der sogenannten Altersteilzeit, Elternteilzeit oder Wohlstandsteilzeit begründet. Teilzeitarbeit können sich viele Arbeitnehmer finanziell nicht leisten. Sofern dies der Fall ist, geht es eher um die individuelle Lebensgestaltung.
    Eine große Gefahr besteht darin, daß von seiten der Arbeitgeber die Ausweitung der Teilzeitarbeit zur Kostenreduzierung und als Einsparpotential genutzt wird. Bestes Beispiel dafür ist der Öffentliche Dienst. Dort besteht in vielen Bereichen ein Anspruch auf Teilzeit schon lange. Dies hat aber nicht zur Ausweitung der Beschäftigtenzahl geführt, sondern zu Einsparmaßnahmen.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug