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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 20: Befristung mit sachlichem Grund
Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen befristete Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes erfolgen. Die Befristung ohne sachlichen Grund bis zu 2 Jahren ist nur die
Ausnahme. Der Gesetzgeber hat nun zum ersten Mal im Teilzeit- und Beschäftigungsgesetz (TzBfG) einen wichtigen Teil der sachlichen Gründe gesetzlich niedergelegt.
1. Sachlicher Grund
Seit Geltung des Kündigungsschutzgesetzes im Jahre 1969 verlangt die Rechtsprechung bei der Begründung eines befristeten Arbeitsverhältnisses einen sachlichen Grund. Die Ursache ist
darin zu suchen, daß die Befristung ohne sachlichen Grund das Kündigungsschutzgesetz und den besonderen Kündigungsschutz der Schwangeren, Betriebsräte, Schwerbehinderten etc. faktisch außer Kraft setzen würde.
Mit der Einführung des Kündigungsschutzes hat der Gesetzgeber mittelbar bestimmt, daß Befristungen nur noch in Ausnahmefällen, d.h. bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig sein sollen. Dies steht nunmehr
ausdrücklich in § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Die Ausnahme bleibt die “Befristung ohne sachlichen Grund” bis zur maximalen Dauer von 2 Jahren nach § 14 Abs. 2 TzBfG. Voraussetzung ist
aber dafür, daß mit demselben Arbeitgeber zuvor kein anderes befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
2. Geltungsbereich
Die gesetzlichen Befristungsregeln gelten für alle Unternehmen und Betriebe im Bereich der Bundesrepublik Deutschland, sie gelten für Großbetriebe ebenso wie für Kleinbetriebe. Für
Kleinbetriebe unter 15, 10 oder unter 5 Arbeitnehmern gibt es keine Ausnahmeregelung und keine Besserstellung. Der im Gesetz enthaltene Katalog der sachlichen Gründe ist noch nicht abschließend! Der
Gesetzgeber hat der Praxis und der Rechtsprechung vorbehalten, andere, neue sachliche Gründe festzustellen oder zu entwickeln.
3. Sachliche Gründe
Nunmehr sollen die vom Gesetzgeber festgestellten sachlichen Gründe dargestellt werden, ohne daß dieser Katalog aber abschließend ist: Nr. 1. Ein betrieblicher Bedarf an
Arbeitsleistung besteht nur vorübergehend. Es muß mit an hinreichender Sicherheit feststehen, daß der Arbeitskräftebedarf in Zukunft wegfällt: Einstellung für ein bestimmtes Forschungsprojekt, für
erhöhten Arbeitsanfall bei Weihnachtsgeschäft, Winterschlußverkauf, einer einmaligen Auftragslage, Saisongeschäft. Da diese vorübergehenden Zustände meist kürzer als 2 Jahre sind, könnte hier auch eine
Befristung ohne sachlichen Grund erfolgen, es sei denn, es bestand zuvor schon ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Nr. 2. Befristung im Anschluß an ein Ausbildungsverhältnis oder an ein Studium.
Die Rechtsprechung hat bisher schon eine solche Befristung bis zu 6 Monaten zugelassen. “Im Anschluß”: D.h., möglichst unmittelbar, sonst kann es Probleme geben. Die Dauer der Befristungsmöglichkeit ist
nicht geklärt. Da ein Ausbildungsverhältnis oder Studium kein Arbeitsverhältnis darstellt, könnte auch eine Befristung ohne sachlichen Grund bis zu 2 Jahren vorgenommen werden, wenn ein früheres
Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat. Fall:
Arbeitgeber Tugendreich übernimmt Azubi Donald nach § 14 Abs. 1 Ziff. 2 TzBfG für 12 Monate befristet. Danach möchte er weitere 12 Monate befristet ohne sachlichen Grund anhängen. Geht das? Nach dem
Anschlußverbot des § 14 Abs. 2 TzBfG ist dies problematisch, da vor dem befristeten Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund bereits ein erstes befristetes Arbeitsverhältnis bestand. Da aber Tugendreich den Azubi
Donald von Anfang an ohne sachlichen Grund bis zu 2 Jahren mit insgesamt 4 Befristungsabschnitten hätte beschäftigen dürfen, muß m.E. hier die zweite Befristung von 12 Monaten ohne sachlichen Grund nach dem Sinn
des Gesetzes ebenfalls zulässig sein. Aber Vorsicht! Nr. 3. Befristung zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber hat hier Vertretungsfälle verschiedenster Art zugelassen. Neben dem
Erziehungsurlaub ist insbesondere an eine Zweckbefristung z.B. wegen Krankheit oder Urlaub, Sonderurlaub, Zusatzausbildung etc. gedacht. Nr. 4. Die Befristung ist durch die Eigenart der Arbeitsleistung
gerechtfertigt. Dieser Befristungsgrund bezieht sich vor allem auf Befristungen im Bereich der Kunst, des Theaters, Schauspiels, der Musik und dem Rundfunkbereich. Künstler werden der Natur der Sache nach
üblicherweise nur für bestimmte Zeiträume beschäftigt, für eine Theatersaison, Intendanten für bestimmte Jahre, Schönheitstänzerinnen für bestimmte Auftritte oder kurze Zeiträume.
Nr. 5. Befristung zur Erprobung. Die Befristung zur Erprobung ist ein Schulfall des Zeitvertrages und von der Rechtsprechung schon immer anerkannt. Die Dauer der Befristung darf in der Regel 6 Monate
nicht überschreiten, bei komplizierten Arbeitsverhältnissen 1 Jahr. Diese Befristung macht vor allem dann einen Sinn, wenn schon ein früheres Arbeitsverhältnis bestanden hat und eine Befristung ohne sachlichen
Grund deshalb ausgeschlossen ist. Problem:
Ein noch nie bei Arbeitgeber Amadeo beschäftigter Mitarbeiter wird für 6 Monate auf Probe befristet. Darf Amadeo dann für weitere 18 Monate ohne sachlichen Grund befristen? Lösung:
Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 TzBfG wäre eine Befristung wegen des vorangehenden Probearbeitsverhältnisses ausgeschlossen. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist meiner Meinung nach jedoch eine weitere Befristung bis zu 18 Monaten ohne sachlichen Grund in direktem Anschluß ohne Unterbrechung zulässig.
Nr. 6. Befristung wegen Gründen, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Gemeint sind u.a. vorübergehende Beschäftigungen aus sozialen Gründen, zur Überbrückung bis zu einer festen, schon
sicheren Beschäftigung. Darunter fällt auch die befristete Beschäftigung von Arbeitslosen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Förderungsmaßnahmen, Befristungen wegen beschränkter Arbeits- und
Aufenthaltserlaubnissen und die Befristung wegen der Altersgrenze. Nr. 7. Vergütung aus Haushaltsmitteln. Hier liegt ein Sonderbefristungsrecht für den Öffentlichen Dienst vor. Die Privatwirtschaft
kann sich auf dieses Privileg nicht berufen. Nr. 8. Befristung in einem gerichtlichen Vergleich. Die Gerichte haben schon immer Befristungen zugelassen, die unter Mitwirkung des Gerichts im
Gerichtssaal abgeschlossen wurden. Hier geht der Gesetzgeber davon aus, daß die Mitwirkung des Gerichts den Sachgrund darstellt, da die Mitwirkung des Gerichts i.d.R. Mißbrauchsfälle verhindert. Achtung:
Nicht umfaßt ist der außergerichtliche Vergleich mit Befristungsabrede. Hier braucht die Befristung einen eigenen sachlichen Grund. Diese 8 vom Gesetzgeber normierten Befristungsgründe werden noch viele
Probleme aufwerfen. Daneben aber sind weitere sachliche Gründe nicht ausgeschlossen.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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