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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 19:  Befristung ohne sachlichen Grund

Die Befristung ohne sachlichen Grund für 2 Jahre ist schon im Beschäftigungsförderungsgesetz vorgesehen gewesen. Sie hat sich als unproblematische und beliebte Befristungsart bewährt. Nunmehr aber hat der Gesetzgeber dieser Befristungsmöglichkeit Grenzen gesetzt.


Der Fall:

    Arbeitgeber Amadeo hat den Arbeiter Mauricio zum Zweck der Probezeit befristet vom 1.10.2000 bis zum 31.3.2001 beschäftigt. Er möchte ihn dann ab dem 1.4.2001 ohne sachlichen Grund für 2 Jahre weiterbeschäftigen. Geht das?
    Arbeitgeber Amadeo hat den Arbeiter Juan bis zum 31.12.2000 schon 2 Jahre nach dem Beschäftigungsförderungsgesetz ohne Sachgrund beschäftigt. Da Juan so gut war, will er ihn als Krankheitsvertretung für den verunglückten Roy Black im Jahre 2001 befristet weiterbeschäftigen. Geht das? 


Die Lösung:

1. Beschäftigungsförderungsgesetz

    Das Beschäftigungsförderungsgesetz mit seiner Möglichkeit der Befristung ist ohne sachlichen Grund bis zum 31.12.2000 ausgelaufen. An seine Stelle ist das neue Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) getreten. Hier ist gesetzlich klar geregelt, daß die befristete Beschäftigung ohne sachlichen Grund nur die Ausnahme darstellt. Generell ist ein sachliche Grund für eine Befristung nötig.
    Das neue Gesetz läßt auch die Beschäftigung ohne sachlichen Grund weiterhin zu. Allerdings wird diese Möglichkeit eingeschränkt und zukünftig erschwert.

2. Ohne sachlichen Grund

    § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Beschäftigungsgesetz (TzBfG) gestattet die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages (Zeitbefristung) ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes weiterhin bis zur Dauer von 2 Jahren. Bis zu dieser Gesamtdauer von 2 Jahren kann die kalendermäßige Befristung bis zu 3 Mal verlängert werden.
    Beispiel:
    Arbeitgeber Amadeo befristet Arbeiter Mauricio 4 Mal hintereinander mit jeweils 6 Monaten.
    Arbeitgeber Amadeo befristet 2 Mal auf 3 Monate, 1 Mal auf 6 Monate und 1 Mal auf 12 Monate.
    Arbeitgeber Amadeo befristet 4 Mal auf 3 Monate, insgesamt 12 Monate. Dann ist eine weitere Befristung ohne sachlichen Grund ausgeschlossen.
    Hat der Arbeitgeber diese Möglichkeit ausgeschöpft, so kann er den Arbeitnehmer danach nur noch mit einem sachlichen Grund weiterbeschäftigen.
    Beachte: Der Arbeitgeber kann die 2 Jahre Befristung ohne sachlichen Grund sofort am Stück mit dem Arbeitnehmer vereinbaren. Stückelt der Arbeitgeber und verlängert er die Befristung, so müssen die Verlängerungen nahtlos aneinander anschließen! Liegt eine Unterbrechung vor, greift das gesetzliche “Anschlußverbot”.

3. Neu: Anschlußverbot

    Der Gesetzgeber hat in § 14 Abs. 2 TzBfG eine Zeitbefristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes dann generell ausgeschlossen, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer bereits zuvor ein befristetes oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat!
    Der Gesetzgeber wollte damit lange Kettenbefristungsverhältnisse verhindern.
    Im Gesetz sind keinerlei zeitliche Begrenzungen enthalten. Es ist deshalb ohne Bedeutung, wann dieses frühe Arbeitsverhältnis bestand, ob vor 1 Jahr oder vor 5 Jahren oder noch früher. Hat irgendwann einmal ein Arbeitsverhältnis zwischen diesen Vertragsparteien bestanden, so ist eine Befristung ohne sachlichen Grund ausgeschlossen.
    Beispiel 1: Arbeitnehmer Juan hat schon vor 5 Jahren bei Amadeo gearbeitet. Juan hat selbst gekündigt wegen einer besseren Stelle. Amadeo kann ihn im Frühjahr 2001 nicht ohne sachlichen Grund befristet einstellen.
    Beispiel 2: Arbeitnehmerin Magdalena wird für 1 Jahr ohne Sachgrund befristet beschäftigt. 3 Monate nach Ausscheiden tritt ein Personalengpaß auf. Arbeitgeber Amadeo stellt Magdalena erneut für 1 Jahr befristet ohne Sachgrund ein. Diese 2. Befristung verstößt gegen das gesetzliche Anschlußverbot.

4. Verlängerung mit Sachgrund

    Der Gesetzgeber hat es dagegen zugelassen, daß an ein befristetes Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund weitere Arbeitsverhältnisse mit sachlichem Grund angeschlossen werden dürfen. Insoweit hat sich die Rechtslage nicht verändert.
    Beispiel: Arbeitnehmerin Magdalena ist bis zum 30.6.2001 für 2 Jahre ohne sachlichen Grund beschäftigt gewesen. Ab dem 1.7.2001 will die Arbeitnehmerin Diana für 2 Jahre in den Erziehungsurlaub. Arbeitgeber Amadeo darf die Mitarbeiterin Magdalena nun mit sachlichem Grund als Erziehungsurlaubsvertretung für weitere 2 Jahre befristet beschäftigen. Gegen diese Art des Kettenarbeitsgvertrages mit sachlichem Grund hat der Gesetzgeber nichts einzuwenden.
    Dasselbe gilt für den Arbeitnehmer Juan, der nach 2jähriger Befristung ohne sachlichen Grund nun eine Krankheitsvertretung für den Kollegen Roy Black befristet übernehmen soll. Diese weitere Befristung ist zulässig, da ein sachlicher Grund vorliegt.

5. Problemfälle

    Der Gesetzgeber schließt die Befristung ohne sachlichen Grund auf 2 Jahre aus, wenn ein Arbeitsverhältnis vorher schon bestanden hat. Dies erscheint vor allem dann ungerecht oder sinnwidrig, wenn das vorangegangene Arbeitsverhältnis nur kurz bestand.
    Beispiel: Arbeitnehmer Kaspar war bis zum 31.12.2000 für 1 Jahr befristet beschäftigt. Nach einer Unterbrechung soll er vom 1.3.2001 bis 30.9.2001 noch einmal 6 Monate ohne sachlichen Grund beschäftigt werden.
    Dies hat der Gesetzgeber generell verboten. Sofern eine Unterbrechung vorliegt, handelt es sich nicht lediglich um eine “Verlängerung” des Arbeitsverhältnisses. Das neue Arbeitsverhältnis könnte nur mit sachlichem Grund befristet abgeschlossen werden. Verlängerte Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Grund müssen nahtlos aneinander angeschlossen werden.
    Beispiel: Kaspar hat vom 1.1.2001 bis 30.6.2001 ein Probearbeitsverhältnis mit Amadeo vereinbart. Arbeitgeber Amadeo ist mit Kaspar zufrieden. Er möchte das Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund befristet für 2 Jahre verlängern, hilfsweise wenigstens für 18 Monate auf die Gesamtdauer von 2 Jahren. Geht das?
    Lösung:
    Eine Anschlußbefristung ohne sachlichen Grund auf weitere 2 Jahre ab dem 1.7.2001 ist in jedem Falle gesetzlich ausgeschlossen.
    Nach dem Gesetzeswortlaut ist auch eine Verlängerung um 18 Monate ohne sachlichen Grund auf insgesamt 2 Jahre ausgeschlossen.
    Dies scheint mir aber sinnwidrig zu sein. Eine Gesamtbefristung von 2 Jahren ohne sachlichen Grund wäre gesetzlich zulässig. Wenn nun die ersten 6 Monate sogar mit sachlichem Grund befristet waren, kann nach dem Gesetzeszweck die Anschlußbefristung von weiteren 18 Monaten ohne sachlichen Grund nicht verboten sein (Erst-Recht-Schluß). Die Rechtslage ist aber unsicher. Deshalb ist von einer Probezeitbefristung von 6 Monaten abzuraten. Besser ist, von Anfang an in den ersten 2 Jahren ohne sachlichen Grund zu befristen.

6. Ältere Arbeitnehmer

    Nach § 15 Abs. 3 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages keines sachlichen Grundes mehr, wenn der Arbeitnehmer zu Beginn der Befristung das 58. Lebensjahr beendet hat und ein enger sachlicher Zusammenhang mit einem früheren Arbeitsverhältnis nicht besteht. Damit will der Gesetzgeber ältere Arbeitnehmer leichter wieder eingliedern.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug