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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 18:  Diskriminierungsverbot und Informationspflichten des Arbeitgebers

In der Vergangenheit wurden befristete Arbeitnehmer manchmal als Arbeitnehmer 2. Klasse behandelt. Wegen der Befristung wurden oft auch bestimmte betriebliche Leistungen verweigert. Dies soll nun geändert werden. 


Der Fall:

    Arbeitnehmer Pepi Wittelsbacher bewirbt sich bei den Arbeitgebern Berthold Binzle und Linus Tugendreich für ein Arbeitsverhältnis, das jeweils auf 18 Monate befristet werden soll. Arbeitgeber Berthold Binzle zahlt an befristete Arbeitnehmer grundsätzlich kein Weihnachtsgeld und kein Urlaubsgeld. Arbeitgeber Tugendreich zahlt im Betrieb Weihnachts- und Urlaubsgeld erst ab einer Betriebszugehörigkeit von mehr als zwei Jahren, d.h. dem dritten Beschäftigungsjahr.
    Bestimmte Zusatzleistungen, wie Essensgeld, Fahrgeld, Nachtschichtzuschlag oder Betriebsrente haben beide Arbeitgeber für befristete Arbeitnehmer ausgeschlossen.
    Der Betriebsrat möchte Informationen über die befristeten Arbeitnehmer. Pepi Wittelsbacher möchte die Informationen über neu zu besetzende unbefristete Arbeitsplätze zum Zweck der Bewerbung. Müssen die Arbeitgeber solche Informationen an den Betriebsrat und Pepi Wittelsbacher weitergeben?  


Die Lösung:

1. Diskriminierungsverbot

    In § 4 Abs. 2 Beschäftigungs- und Befristungsgesetz (TzBfG) ist nun ausdrücklich ein Diskriminierungsverbot für befristet beschäftigte Arbeitnehmer gesetzlich niedergelegt. Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn sachliche Gründe die unterschiedliche, schlechtere Behandlung rechtfertigen.

2. Vergleichbare Arbeitnehmer

    Nach § 3 Abs. 2 TzBfG sind befristete und unbefristete Arbeitnehmer generell dann vergleichbar, wenn sie mit der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit beschäftigt sind. Gibt es im Betrieb ausnahmsweise keinen vergleichbaren unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer, so ist der vergleichbare unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer aufgrund des anwendbaren Tarifvertrages zu bestimmen. Sollte ein solcher nicht vorhanden sein, muß im jeweiligen Wirtschaftszweig geprüft werden, welcher unbefristete Arbeitnehmer billigerweise als vergleichbar anzusehen ist.

3. Gleiches Entgelt

    In § 4 Abs. 2 TzBfG hat der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt, daß einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Arbeitsentgelt oder andere teilbare geldwerte Leistungen mindestens im gleichen Umfange wie beim vergleichbaren Vollzeitarbeitnehmer zu gewähren sind, wenn nicht sachliche Gründe oder die kurze Beschäftigungsdauer entgegenstehen.
    Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, daß alleine die Befristung keinen Grund darstellt, Arbeitnehmer finanziell oder in anderer Weise zu benachteiligen.
    Es ist deshalb unzulässig, wenn Arbeitgeber Berthold Binzle einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer generell kein Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld bezahlt.
    Fall:
    Zulässig wäre es aber, wenn Arbeitgeber Tugendreich allen Arbeitnehmern erst ab dem 3. Beschäftigungsjahr Weihnachts- und Urlaubsgeld bezahlt. Hier liegt keine Ungleichbehandlung vor, da alle Arbeitnehmer, ob befristet oder unbefristet, in den ersten zwei Beschäftigungsjahren nichts erhalten.
    Arbeitnehmer Pepi Wittelsbacher soll auf 18 Monate befristet eingestellt werden. Diese Befristungsdauer ist kein sachlicher Grund, um ihm die betrieblichen Sozialleistungen generell zu streichen. Ihm steht Essensgeld und Fahrgeld ebenso wie den unbefristet beschäftigten Mitarbeitern zu. Er muß genauso essen und fahren. Dasselbe gilt für die Nachtschichtzulage, wenn Pepi Wittelsbacher in den 18 Monaten Nachtschicht arbeitet.
    Fall:
    Wenn Pepi Wittelsbacher vom 1.1.2001 bis zum 30.6.2002 befristet arbeitet, könnte er eventuell sogar anteiliges Weihnachtsgeld für 2002 verlangen. Das steht ihm zu, wenn gekündigte Arbeitnehmer, die während des Jahres aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis ausscheiden, auch anteiliges Weichnachtsgeld erhalten.

4. Gerechtfertigte Benachteiligung

    Der Ausschluß von bestimmten Sozialleistungen und Vergütungen kann aber sachlich gerechtfertigt sein, wenn diese Leistungen von einer besonders langen Beschäftigungsdauer abhängen. Der befristet beschäftigte Arbeitnehmer erfüllt dann diese Voraussetzung der langen Beschäftigungsdauer nicht. Dies gilt z.B. für die betriebliche Altersversorgung, die in der Regel eine Mindestbeschäftigung von 10 Jahren voraussetzt. Dies gilt auch für Jubiläumsgelder und langfristige Treueprämien.
    Das finden wir manchmal auch beim Weihnachtsgeld. Weihnachtsgeld kann unter die Bedingung gestellt werden, daß der Arbeitnehmer mindestens bis zum 31.3. des Folgejahres beschäftigt ist. Scheidet Pepi Wittelsbacher zum 30.6.2002 aus, so kann er in einem solchen Fall für 2002 kein anteiliges Weichnachtsgeld verlangen.

5. Informationspflichten

    Nach § 18 TzBfG muß Arbeitgeber Tugendreich den befristet beschäftigten Pepi Wittelsbacher über alle unbefristeten Arbeitsplätze informieren, die besetzt werden sollen und für die Pepi Wittelsbacher aufgrund seiner vertraglichen Tätigkeit und aufgrund seiner Fähigkeiten geeignet ist.
    Die Information an die befristet beschäftigten Mitarbeiter über die freien unbefristeten Arbeitsplätze kann allerdings durch eine allgemeine Bekanntgabe an einer allgemein zugänglichen, geeigneten Stelle erfolgen.

6. Information des Betriebsrats

    Nach § 20 TzBfG muß der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Anzahl aller befristet beschäftigten Arbeitnehmer informieren. Er muß dem Betriebsrat weiter mitteilen, wie hoch der prozentuale oder numerische Anteil der befristeten Arbeitnehmer an der Gesamtbelegschaft des Betriebes und auch des Unternehmens ist.

7. Altfälle

    Das gesetzliche Diskriminierungsverbot gilt ab dem 1.1.2001 für alle Fälle der Befristung. Es gilt also auch für befristete Arbeitsverhältnisse, die schon im Jahre 2000 oder davor begründet worden sind! Der Gesetzgeber will, daß ab dem 1.1.2001 alle Arten von Diskriminierung für befristete Arbeitnehmer zu beenden sind. Die Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen. Sie müssen auch an befristet beschäftigte Arbeitnehmer Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Jahressonderzahlung, Fahrtkosten, Lohnzuschläge etc. zahlen, soweit die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. 

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug