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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 55: Neue Zeugnisrechtsprechung I

Der Fall

    Reeder Poseidon entließ nach vielen Schiffsreisen die beiden Leichtmatrosen Herkules und Odysseus. Auf Verlangen stellte er ihnen ein Zeugnis aus.
    Herkules erhielt inhaltlich ein Spitzenzeugnis mit Lobpreisungen. In der Bewertung allerdings beschränkte sich Poseidon auf die Bewertung „zur vollen Zufriedenheit“.
    Dem raffinierten Odysseus traute Poseidon nicht. Deshalb gab er ihm die Note „stets zur vollen Zufriedenheit“. Allerdings bescheinigte er Odysseus, daß er bestrebt war, den üblichen Arbeitsanfall zu bewältigen und im allgemeinen positiv auf Motivationsmaßnahmen reagierte. Schließlich führte er aus: „Zeitweise schien er das Schiff mit einer beschützenden Werkstätte für Müßiggänger zu verwechseln“. Odysseus ist empört und möchte die noch bessere Bewertung „stets zur vollsten Zufriedenheit“. Er möchte im übrigen dem Arbeitgeber alle Formulierungen vorschreiben. Auch Herkules möchte seine Benotung etwas verbessern.
    Der harmoniebedürftige Poseidon ist betrübt.

Die Lösung:

1. Qualifiziertes Zeugnis

    Der Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis durch den Arbeitgeber ist zwischen den Parteien nicht streitig. Er ergibt sich mittlerweile aus § 109 Gewerbeordnung. Danach muß das Zeugnis Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit sowie über Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis enthalten. Etwas anderes gilt nur, wenn lediglich ein einfaches Zeugnis (Art und Dauer der Tätigkeit) verlangt wird.

2. Zeugniszweck

    Das Zeugnis dient nicht dazu, dem Arbeitgeber zu helfen, dem Mitarbeiter noch einmal die Meinung zu sagen. Es dient auch nicht dem Ego und dem Narzißmus einzelner Arbeitnehmer. Es soll kein Spiegel für Selbstbewunderungszwecke sein.
    Vielmehr dient das Zeugnis dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und zur Vorlage gegenüber Dritten. Es soll künftigen Arbeitgebern bei Bewerbungen eine Grundlage für ihre Personalauswahl sein. Deshalb muß das Zeugnis objektiv richtig sein, zugleich aber auch die subjektiv eingefärbte Leistungsbeurteilung des Arbeitgebers enthalten.
    Damit das Zeugnis als Bewerbungs- und Beurteilungsgrundlage einen Wert hat, muß der Arbeitgeber auch wohlwollend gegenüber dem Mitarbeiter formulieren ohne versteckte Spitzen. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und des Wohlwollens. Es gilt aber auch der Grundsatz der Zeugnisklarheit, um nicht beim neuen Arbeitgeber Verwirrung zu stiften, der dann das Zeugnis und die Bewerbung in den Papierkorb wandern läßt.

3. Gesetzliche Vorgaben

    In § 109 Abs. 2 und 3 Gewerbeordnung hat der Gesetzgeber einige wenige Vorgaben gemacht.
    Danach muß das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es muß aus sich heraus verständlich sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere Aussage zu treffen, als der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtlich ist.
    Das Zeugnis muß schriftlich sein. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Im übrigen ist aber der Arbeitgeber frei in der Formulierung des Zeugnisses und in der Wahl des Beurteilungssystems. Leichtmatrose Odysseus hat keinen Anspruch darauf, dem Arbeitgeber bestimmte Formulierungen im Zeugnis vorzuschreiben.

4. Schlußnote

    Die Mitarbeiter Herkules und Odysseus haben richtig erkannt, daß die Schlußnote eines Zeugnisses eine wichtige Rolle spielt. Gerade in Zeiten der Arbeitslosigkeit liegen Arbeitgebern oft eine Fülle von Bewerbungen und Zeugnissen vor. Aus Zeitmangel wird das Zeugnis oft nur diagonal gelesen oder überflogen. Das Augenmerk richtet sich deshalb oft auf die Schlußnote und auf ungewöhnliche oder herausragende Formulierungen negativer oder positiver Art.
    Es ist Sache des Arbeitgebers, welche Beruteilungssysteme er wählt und welche Art von Schlußnote. Je klarer die Benotung ist, um so besser ist das Zeugnis zu verstehen. Leider wird in den allermeisten Fällen zur Benotung die „Zufriedenheitsskala“ benutzt, deren Notenklarheit zu wünschen übrig läßt (zur Zufriedenheit, zur vollen Zufriedenheit, stets zur vollen Zufriedenheit, zur vollsten Zufriedenheit, stets zur vollsten Zufriedenheit).
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug