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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 330: Schutz der behinderten Menschen I
Frage:
Ich bin behindert. Vielleicht bin ich sogar schwerbehindert. Wann liegt aber eine Schwerbehinderung vor? Ich habe gehört, daß
behinderte Menschen besonders geschützt werden. Welche Rechte habe ich? Wo steht das?
Der Fall:
Arbeitgeber Herbert Wehner residiert in Babelsberg als Medienzar. Er möchte gerne wissen, welche Arbeitnehmer in seinem
Betrieb behindert sind, schwer behindert oder ähnliches. Eigentlich hält er alle Menschen für behindert, die nicht Pfeifenraucher sind. Wehner möchte wissen, welche Rechte die behinderten Menschen haben. Sein
Mitarbeiter Hermann Prey hält sich in jedem Falle für behindert, weil er bei den letzten Gesangsauftritten vor der Kamera stets einen „Frosch im Hals“ hatte. Schauspieler Yul Brynner hat einen Antrag auf
Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt, weil er in den letzten Jahren in Kuß- und Beischlafszenen vor der Kamera psychische Hemmungen entwickelte. Nachdem der Schwerbehindertenantrag abgelehnt wurde,
stellte er einen Antrag auf Gleichstellung. Der Musiker und Komponist Carl Orff verlor bei der letzten Brennholzaktion an der Bandsäge eine Hand. Nun kann er nicht mehr Klavier, Harfe oder Triangel spielen.
Er begehrt einen besonderen Schutz als behinderter Mensch.
Die Lösung:
1. Behinderung
Das Recht der behinderten Menschen ist in wichtigen Teilen im Sozialgesetzbuch IX geregelt. Das früher existierende
Schwerbehindertengesetz ist im 9. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX) aufgegangen und erneuert worden. Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder
seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Von einer
Behinderung bedroht sind sie, wenn solche Beeinträchtigungen zukünftig zu erwarten sind. Es kann davon ausgegangen werden, daß die meisten Menschen im Laufe ihres Lebens aufgrund körperlicher oder psychischer
Beeinträchtigungen im Sinne dieser Definition zeitweise behindert sind.
2. Schwerbehinderung
Im SGB IX ist insbesondere das Recht der schwerbehinderten Menschen geregelt. Bei den schwerbehinderten Menschen handelt
es sich um Menschen mit einer Behinderung, die besonders gravierend ist. Nach § 2 Abs. 2 SGB IX sind Menschen im Sinne dieses Gesetzes schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens
50 vorliegt (GdB 50). Im Volksmund spricht man von einer Behinderung mit „50 %“. Weitere Voraussetzung für eine Schwerbehinderung im Sinne des Sozialgesetzbuches ist, daß diese Menschen ihren Wohnsitz, ihren
gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz rechtmäßig im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches haben. Wer glaubt, als behinderter Mensch schwerbehindert im Sinne des SGB IX zu
sein, kann einen Antrag beim Versorgungsamt stellen. Dieses hat dann unter Berücksichtigung der medizinischen Prüfungsergebnisse über den Antrag zu entscheiden. Fällt die Entscheidung nicht im Sinne des
Antragstellers aus, so kann dieser Widerspruch einlegen und bei Ablehnung des Widerspruchs Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erheben.
3. Gleichstellung
Der Gesetzgeber hat noch eine dritte geschützte Behindertengruppe geschaffen, nämlich die „gleichgestellten behinderten
Menschen“. Nach § 2 Abs. 3 SGB IX sollen den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden die behinderten Menschen, bei denen durch das Versorgungsamt zwar eine Schwerbehinderung mit dem GdB 50 nicht
anerkannt wurde, bei denen aber ein Grad der Behinderung von wenigstens 30 amtlich festgestellt wurde. Weitere Voraussetzung ist wie bei schwerbehinderten Menschen, daß diese Personen ihren Wohnsitz, ihren
gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz rechtmäßig im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches haben, also im Bereich der Bundesrepublik Deutschland. Eine dritte Voraussetzung für
die Gleichstellung ist die Bedingung, daß diese gleichgestellten behinderten Menschen infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder den vorhandenen
Arbeitsplatz nicht behalten können, dieser Arbeitsplatz also gefährdet ist. Eine Gefährdung kann vorliegen, wenn der Arbeitgeber erhebliche Personalmaßnahmen, insbesondere Kündigungen beabsichtigt.
4. Schutzgesetze
Neben den allgemeinen Schutzgesetzen für Arbeitnehmer etc. hat der Gesetzgeber in zwei Schutzgesetzen den besonderen
Schutz der behinderten bzw. der schwerbehinderten Menschen und der gleichgestellt behinderten Menschen geregelt. Zum einen handelt es sich dabei um das 9. Buch des Sozialgesetzbuches, das SGB IX. Im SGB IX
ist insbesondere der Schutz der schwerbehinderten Menschen und der gleichgestellten behinderten Menschen geregelt. Dies gilt aber nicht durchgehend. In den einzelnen Vorschriften ist auch der Schutz sonstiger
behinderter Menschen vorgesehen, z.B. in § 84 Abs. 2 SGB IX. Dort ist das betriebliche Integrationsmanagement für arbeitsunfähig erkrankte Menschen im Allgemeinen geregelt. Darüber hinaus ist im Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14. August 2006 die Benachteiligung oder Diskriminierung wegen Behinderung verboten und mit Schadenersatz- bzw. Entschädigungsansprüchen versehen. Dieser Schutz vor
Benachteiligung oder Diskriminierung wegen Behinderung betrifft vor allem abhängig beschäftigte Personen, nämlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Auszubildende und arbeitnehmerähnliche Personen. Dieses
Gesetz schützt also insbesondere Menschen, die sich in einem Arbeitsverhältnis befinden oder in ähnlichen Rechtsverhältnissen. Beachte: Das AGG schützt nach § 1 AGG die entsprechenden Personengruppen nicht
nur bei Vorliegen einer Schwerbehinderung, sondern ganz generell bei Vorliegen einer Behinderung. Die Benachteiligung oder Diskriminierung wegen einer Behinderung, egal welcher Art, ist generell untersagt, wenn
dafür nicht ein Ausnahmetatbestand bzw. ein sachlicher Grund gegeben ist, der die Benachteiligung rechtfertigen kann.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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