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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 328: Arbeitszeit – aktuelle Entwicklungen VIII
Frage:
Wie lange darf nun ein Arbeitnehmer beschäftigt werden und was geschieht in Notfällen? Bin ich verpflichtet, meine Arbeit bei
der Erreichung der Höchstarbeitszeit abzubrechen und nach Hause zu gehen? Kann der Arbeitgeber bestraft werden? Was ist, wenn ich noch ein Zweitarbeitsverhältnis nebenher durchführe?
Der Fall:
Gustav Freitag beschäftigt in seiner Eisengießerei den Gießer Gustav Klimt und den Meister Isaac Singer. Der Guß für einen
wichtigen Terminauftrag mißlingt am Freitag. Um eine hohe Konventionalstrafe zu vermeiden, muß der Guß unbedingt von Klimt und Singer am Samstag wiederholt werden. Beide haben aber schon 50 Arbeitsstunden von
Montag bis Freitag geleistet. Dürfen sie am Samstag arbeiten? Charles Chaplin stellt Louis de Funès für seinen Mausefallenhandel ein. Aufgrund des Klimawandels hat sich eine prächtige Mäuseplage entwickelt.
Das Geschäft boomt. Wegen des großen Andrangs soll Louis de Funes täglich von 6 Uhr morgens bis 20 Uhr arbeiten bei 2 Pausen à 30 Minuten. Die reine Arbeitszeit beträgt 13 Stunden. Louis stöhnt, da er sich nach
seiner Geliebten Rosinante sehnt. Muß er bleiben?
Die Lösung:
1. Höchstarbeitszeit
Die Arbeitszeit der Arbeitnehmer ist in § 3 ArbZG geregelt. Danach darf die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer 8
Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 10 Stunden dann verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten
werden. Diese gesetzliche Regelung bedeutet, daß der Gesetzgeber noch von einer 6-Tage-Woche ausgeht. Bei 8 Arbeitsstunden pro Tag bedeutet dies 48 Arbeitsstunden pro Woche. Dies ist die gesetzlich
vorgesehene Vollarbeitszeit. Der Arbeitnehmer darf jedoch generell nicht mehr als 8 Stunden pro Arbeitstag arbeiten. Eine Ausnahme sieht das Gesetz vor. Danach kann bis zu 10 Stunden pro Arbeitstag
gearbeitet werden, wenn innerhalb eines halben Jahres an anderer Stelle so wenig gearbeitet wird, daß 48 Wochenarbeitsstunden im Durchschnitt erreicht werden. Diese Ausnahmeregelung bedeutet, daß in
Ausnahmefällen bis zu 60 Stunden pro Woche an 6 Arbeitstagen gearbeitet werden darf. Andererseits muß dann an anderen Tagen deutlich weniger als 8 Stunden gearbeitet werden, um den Ausgleich innerhalb von 6
Monaten zu erreichen. Gustav Freitag kann also die Gießer Klimt und Singer ausnahmsweise auch am Samstag einsetzen bis zu maximal 10 Stunden. Da diese dann 60 Stunden in der Gesamtwoche gearbeitet haben, muß
er allerdings an anderen Wochen einen Ausgleich schaffen. Achtung: Der Gesetzgeber hat jedoch strikt verboten, daß über 10 Stunden am Tag hinaus gearbeitet wird. Dieses Verbot darf vom Arbeitgeber nicht
gebrochen werden!
2. Mitbestimmung des Betriebsrats
Beachte: Bei allen Arbeitszeitverlängerungen muß der Betriebsrat vor der Arbeitszeitverlängerung angehört werden und der
Verlängerung zustimmen. Andernfalls darf der Arbeitgeber diese Arbeitszeitverlängerung nicht durchführen.
3. Überstundenzuschläge?
Weiter ist zu beachten, daß die Überschreitung der tariflichen und vertraglichen Wochenarbeitszeit bzw. der gesetzlichen
Normalarbeitszeit nicht dazu führt, daß automatisch Mehrarbeitszuschläge bzw. Überstundenzuschläge gezahlt werden. Nach dem Gesetz kann bis zu 60 Stunden pro Woche gearbeitet werden, ohne daß diese Arbeit
gesetzlich zuschlagspflichtig wäre. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Tarifvertrag gilt oder wenn Überstundenzuschläge im Arbeitsvertrag vereinbart wurden.
4. Ordnungsgeld/Bestrafung
Diese gesetzliche Regelung bedeutet auch, daß der Arbeitgeber Charles Chaplin den Mitarbeiter Louis de Funès nicht mit 13
Stunden pro Tag beschäftigen darf, selbst wenn die Geschäfte gut laufen. Der Arbeitgeber Chaplin müßte mit einem Ordnungsgeld oder gar einer Bestrafung rechnen. Diese Regelung ist nicht unbillig. Arbeitnehmer
Chaplin steht es frei, für die zusätzlich anfallende Arbeit und die guten Geschäfte weitere Arbeitnehmer einzustellen und so Arbeitslose zu beschäftigen, statt vorhandene Mitarbeiter über Gebühr zu strapazieren.
5. Keine Arbeitsverpflichtung
Das Arbeitszeitgesetz enthält zwar den gesetzlichen Rahmen für die Höchstarbeitszeit von einzelnen Werktagen bzw. in der
gesamten Woche. Im Gesetz selbst ist jedoch keine Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers enthalten. Über die Höhe der individuellen Arbeitszeit muß zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine entsprechende
Vereinbarung getroffen werden. Dies gilt sowohl für die Zahl der Arbeitsstunden, als auch für die Zahl der Werktage in der Woche. Der Arbeitsumfang des Vollzeitarbeitnehmers kann allerdings auch in einem
Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegt sein. Dies gilt auch für Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. Achtung: Sollte der Arbeitgeber Charles Chaplin den Mitarbeiter Louis de Funès
länger als 10 Stunden pro Tag beschäftigen, so handelt Chaplin nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG ordnungswidrig. Für diese Ordnungswidrigkeit muß er mit einer Geldbuße bis zu 15.000 Euro rechnen. Sollte der
Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag eine Arbeitszeit über die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit hinaus vereinbaren, also mehr als 10 Stunden pro Arbeitstag, so ist diese Vereinbarung nach §
134 BGB rechtsunwirksam. Der Arbeitnehmer braucht der Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers insoweit nicht nachzukommen. Der Arbeitgeber hat weder das Recht zur Abmahnung, noch zur Kündigung. Arbeitet der
Arbeitnehmer dagegen über die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit hinaus, so erbringt er zwar eine Arbeitsleistung, zu der er nicht verpflichtet, letztlich auch nicht berechtigt war. Gleichwohl wird der
Arbeitgeber nicht von der Gegenleistung befreit. Der Arbeitnehmer erlangt deshalb insoweit gleichwohl einen Vergütungsanspruch. Allerdings hat der Arbeitnehmer ohne entsprechende vertragliche oder tarifliche
Regelung keinen Anspruch auf einen Überstundenzuschlag.
6. Tarifvorrang/höhere Arbeitszeit
In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in Betriebsvereinbarungen ist es nach § 12 möglich, abweichend
von § 3 Arbeitszeitgesetz die Arbeitszeit über 10 Stunden werktäglich auch ohne Ausgleich binnen 6 Monaten zu verlängern. Das gilt insbesondere dann, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig Arbeitsbereitschaft fällt.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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