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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 303: AGG X – Absage von Bewerbern und Beweislastumkehr
Frage:
Wenn ich einem Bewerber/einer Bewerberin eine Absage erteile, warum darf ich nicht das sagen, was ich denke und fühle oder wirklich meine Beweggründe waren? Vergiftet „political
correctness“ den ganzen Umgang der Menschen miteinander?
Der Fall:
Erzbischof Thomas Morus lehnt Bewerberinnen für Professorenstellen in seinem Priesterseminar mit der Bemerkung ab, daß dafür nur Männer in Betracht kommen. Arbeitgeber Gottlieb Daimler
lehnt Bewerberinnen in seiner KFZ-Werkstatt ab, weil er sonst zusätzlich Toiletten und Duschen für Frauen bauen müßte. Arbeitgeber Leo Trotzki schreibt einem abgelehnten Bewerber, daß er Sprößlinge aus dem
Großbürgertum generell ablehne. Konrad Lorenz hat zum Test bei den Bewerbungsgesprächen seine Gänse im Raum gelassen. Ein Bewerber wird dem Bemerken abgelehnt, daß nur Tierliebhaber im Lorenz-Institut
beschäftigt werden können. Astrid Lindgren bevorzugt Bewerberinnen mit Kindern, insbesondere Mädchen. Ein männlicher Bewerber wird mit der Begründung abgelehnt, daß er nur Söhne aufzuweisen habe.
Die Lösung:
1. Diskriminierende Bemerkungen
Es ist jedem Arbeitgeber dringend zu empfehlen, in Absageschreiben möglichst alle diskriminierenden Bemerkungen zu unterlassen. Je neutraler das Absageschreiben ist, um so geringer die
Gefahr einer Diskriminierung und Klage. Rein arbeitsplatz- und qualifikationsbezogene Absageargumente sind zwar rechtlich nicht zu beanstanden. Gleichwohl kann dadurch ein Bewerber auch tief verletzt sein.
Verletzungen zu vermeiden, muß grundsätzlich ein Anliegen der Arbeitgeberseite sein.
2. Rechtfertigungsgründe
Dies bedeutet nicht, daß der Arbeitgeber stets einen „Maulkorb“ tragen muß. Sofern die Ablehnungsgründe aus der Tätigkeit heraus sachlich gerechtfertigt sind, können sie auch aufgeführt
werden. Selbst diskriminierende Bemerkungen sind unschädlich, wenn der Arbeitsplatz bestimmte Qualifikationen erfordert. Z.B.: – Die Tierliebe ist im Konrad-Lorenz-Institut an vielen Arbeitsplätzen
erforderlich, da Tierverhaltensforschung mit Tieren betrieben wird. – Die Ablehnung einer Frau im Priesterseminar als Priesteranwärterin wäre gerechtfertigt, da in der katholischen Kirche das Priesteramt an
das männliche Geschlecht gebunden ist. Dagegen wäre es nicht zwingend erforderlich, bei den Lehrkräften ausschließlich Männer zu beschäftigen. – Die Ablehnung von Männern oder Frauen wegen Kosten für
zusätzliche Aufenthaltsräume, Duschen, Waschräume etc. ist kein Rechtfertigungsgrund für eine Diskriminierung. Hier verlangt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vom Arbeitgeber den entsprechenden
Kosteneinsatz. – Politische oder menschliche Vorlieben (Leo Trotzki und Astrid Lindgren) sind keine guten Begründungen in Ablehnungsschreiben. Sie sollten tunlichst vermieden werden. Hier liegt eine
Diskriminierung vor.
3. Beweislastumkehr
In § 22 AGG hat der Gesetzgeber geregelt: Wenn im Streitfall eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, so trägt die
andere Partei die Beweislast dafür, daß kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Der Gesetzgeber hat damit allen scheinbar oder wirklich diskriminierten Bewerbern
oder Beschäftigten eine Beweiserleichterung an die Hand gegeben. Indizien für eine Diskriminierung können bei allen schriftlichen Dokumenten, wie Stellenanzeigen, Auswahlrichtlinien, Personalfragebögen,
Ablehnungsschreiben gegeben sein. Solche Indizien können aber auch aufgrund mündlicher Aussagen oder Fragen vorliegen. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, alle Schriftstücke, Fragebögen, Formschreiben etc.
auf einen diskriminierenden Inhalt zu untersuchen und ggf. zu revidieren. Andernfalls muß der Arbeitgeber mit einer Schadenersatz-/Entschädigungsforderung der Bewerber/Beschäftigten rechnen. Da ein
Entschädigungs- oder Schadenersatzanspruch nach § 15 Abs. 4 AGG binnen einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden muß, empfiehlt es sich, zumindest in Risikofällen für den Zugang des
Ablehnungsschreibens einen Zugangsnachweis zu führen. Um unnötige Risiken auszuschließen ist außerdem grundsätzlich zu empfehlen, gegenüber externen Personen, wie Bewerbern, keine telefonischen Auskünfte zu
geben. Tipp: Im Prozeßfall verlangen die Gerichte Fakten und Nachweise. Um die entsprechenden Nachweise führen zu können, ist es empfehlenswert, bereits das Vorstellungsgespräch in wichtigen Punkten zu
dokumentieren. Außerdem sollten zum Zweck des Nachweises die Bewerbungsunterlagen aller Bewerber solange aufbewahrt werden, wie mit Klagen wegen Diskriminierung zu rechnen ist. Nur aufgrund der vorhandenen
Unterlagen kann im Zweifel der Arbeitgeber seine Auswahlentscheidung und ihre sachliche Begründung dokumentieren.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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