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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 336: Schutz der behinderten Menschen VII
Frage:
Gibt es denn eine Möglichkeit, schwerbehinderte Menschen schon im Vorfeld zu schützen, indem ihre Eingliederung in den Arbeitsprozeß und ihr Einsatz im Betrieb vorweg durch die Fachleute des Betriebs geregelt
werden? Wenn ich in erheblichem Maße krank bin und mit einer krankheitsbedingten Kündigung zu rechnen habe, wäre es sinnvoll, wenn zwischen Arbeitgeber, dem Betriebsrat und mir versucht würde, mir einen
leidensgerechten Arbeitsplatz zu verschaffen und meinen Einsatz entsprechend meiner gesundheitlichen Gegebenheiten durchzuführen. Davon würden sowohl der Arbeitgeber wie der kranke Arbeitnehmer profitieren.
Welche Möglichkeiten dafür gibt es?
Der Fall:
Der Arbeitgeber Dag Hammerskjöld wird durch den alten Vorsitzenden der Schwerbehindertenvertretung Henry Ford und durch den Betriebsratsvorsitzenden Ernst Reuter am laufenden Band gedrängt, für die
schwerbehinderten Mitarbeiter im Vorfeld Regelungen zu treffen, insbesondere ihren Arbeitseinsatz zu erleichtern. Der gealterte Henry Ford ist besonders hartnäckig. Die Mitarbeiterin Emily Brontë ist schon
lange in erheblichem Umfange krank. Als ihr der Arbeitgeber Dag Hammerskjöld eine krankheitsbedingte Kündigung wegen der häufigen Fehlzeiten überreichte, bemängelte sie sofort, daß Arbeitgeber Hammerskjöld ihr
trotz entsprechender Bemühungen nie entgegen gekommen sei, um ihren Arbeitseinsatz entsprechend ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu regulieren. Sie hält die krankheitsbedingte Kündigung schon deshalb
für unwirksam, weil Hammerskjöld gegenüber allen Bemühungen ihrer Seite „stur wie ein Panzer“ gewesen sein.
Die Lösung:
1. Integrationsvereinbarung
Der Gesetzgeber hat in § 83 Sozialgesetzbuch IX bestimmt, daß der Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung sowie dem Betriebsrat/Personalrat eine verbindliche Integrationsvereinbarung zu treffen haben. Auf
Antrag der Schwerbehindertenvertretung muß der Arbeitgeber unter Beteiligung des Betriebsrats/Personalrats darüber verhandeln. Sofern eine Schwerbehindertenvertretung im Betrieb nicht vorhanden ist, besitzt
das Antragsrecht auch der Betriebsrat/Personalrat. Sowohl der Arbeitgeber wie auch die Schwerbehindertenvertretung können das Integrationsamt zu diesen Verhandlungen einladen, damit sich die Fachleute dieser
Behörde an den Verhandelungen beteiligen. Soweit eine Vereinbarung zustande kommt, muß sie sowohl im Integrationsamt wie auch der Agentur für Arbeit bekannt gemacht und übermittelt werden.
2. Freiwillige Vereinbarung?
Nach dem Gesetz hat der Arbeitgeber auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung oder des Betriebsrats die Pflicht, mit diesen Gremien eine Integrationsvereinbarung zu treffen. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit für
den Arbeitgeber zwingend. Andererseits aber hat der Gesetzgeber keine Sanktionen bei einer Verweigerung vorgesehen. Klar ist, daß der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung zu
verhandeln hat. Eine solche Verpflichtung wäre letztendlich auch klageweise durchzusetzen. Wenn dann aber die Verhandlungen scheitern und eine Vereinbarung nicht zustande kommt, besteht gesetzlich keine
Durchsetzungs- oder Einigungsmöglichkeit. Insbesondere hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen, daß bei Scheitern der Verhandlungen die Einigungsstelle anzurufen wäre. Die im Sozialgesetzbuch IX vorgesehenen Straf-
und Bußgeldandrohungen beziehen sich nicht auf die Integrationsvereinbarung. Aus diesem Grunde kann trotz der zwingenden Formulierung letztendlich von der Schwerbehindertenvertretung und dem
Betriebsrat/Personalrat eine bestimmte Integrationsvereinbarung nicht erzwungen werden.
3. Rechtscharakter
Soweit eine Integrationsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung bzw. dem Betriebsrat/Personalrat abgeschlossen werden, muß davon ausgegangen werden, daß es sich um eine Betriebs- oder
Dienstvereinbarung handelt. Da der Gesetzgeber den Abschluß einer solchen verbindlichen Regelung vorgeschrieben und auch den Inhalt bestimmt hat, handelt es sich insoweit im Ergebnis letztendlich um eine
zusätzliche Norm des Betriebes, also eine Betriebsvereinbarung. Mangels Durchsetzbarkeit des Abschlusses und mangels Straf- oder Bußgeldvorschriften muß jetzt auch weiterhin davon ausgegangen werden, daß diese
Integrationsvereinbarung nur einer freiwilligen Betriebsvereinbarung gleichgestellt werden kann, die vereinbart werden muß, aber nicht zu erzwingen ist. Im Ergebnis können sich dann alle schwerbehinderten
Menschen als Anspruchsgrundlage auf diese Integrationsvereinbarung berufen. Wegen dieses Rechtscharakters muß davon ausgegangen werden, daß auch die Möglichkeit besteht, Integrationsvereinbarungen von seiten
des Arbeitgebers oder von seiten der Vertretungsorgane zu kündigen. Eine solche Kündigungsmöglichkeit ist zwar im Gesetz nicht vorgesehen. Bei Dauerregelungen dieser Art hat der Gesetzgeber jedoch generell die
Möglichkeit vorgesehen, solche Vereinbarungen zu kündigen, sie zu verändern oder den neuen Anforderungen anzupassen. Betriebsvereinbarungen können nach § 77 Abs. 5 Betriebsverfassungsgesetz mit einer Frist
von 3 Monaten gekündigt werden. Dies muß auch für Integrationsvereinbarungen gelten. Da die Integrationsvereinbarung letztendlich nicht zu erzwingen ist und deshalb einer freiwilligen Betriebsvereinbarung
gleichsteht, ist bei einer Kündigung der Vereinbarung keine Nachwirkung gegeben. Dies bedeutet, daß nach Ablauf der Kündigungsfrist die Integrationsvereinbarung erloschen wäre und ggf. eine neue
Integrationsvereinbarung abgeschlossen werden muß.
4. Inhalt der Integrationsvereinbarung
Die Integrationsvereinbarung enthält nach § 83 Abs. 2 SGB IX Regelungen im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen, insbesondere zur – Personalplanung, – Arbeitsplatzgestaltung,
– Gestaltung des Arbeitsumfeldes. – Arbeitsorganisation, – Arbeitszeit sowie – Regelungen über die Durchführung in den Betrieben und Dienststellen. In den Vereinbarungen können insbesondere auch
Regelungen getroffen werden: – zur angemessenen Berücksichtigung schwerbehinderter Menschen bei der Besetzung freier oder neuer Stellen, – zu einer angestrebten Beschäftigungsquote einschließlich eines
angemessenen Anteils schwerbehinderter Frauen, – zu Teilzeitarbeit, – zur Ausbildung behinderter Jugendlicher, – zur Durchführung betrieblicher Präventionen und zur Gesundheitsförderung,
– über die Hinzuziehung eines Werks- oder Betriebsarztes.
5. Mitteilung/Schwerbehindertenversammlung
Nach § 83 Abs. 3 SGB IX muß der Arbeitgeber über alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Eingliederung schwerbehinderter Menschen den schwerbehinderten Mitarbeitern in eigenen Versammlungen Mitteilung machen.
Daraus folgt, daß das Gesetz den Arbeitgeber verpflichtet, Sammlungen mit schwerbehinderten Mitarbeitern durchzuführen und sie über alle Bemühungen seiner Seite bzw. allen Absprachen und Vereinbarungen mit
der Schwerbehindertenvertretung im Betriebsrat/Personalrat zu berichten. Eine solche Versammlung ist mindestens 1 Mal im Kalenderjahr abzuhalten, kann aber auch aus aktuellen Anlässen einberufen werden.
Der Bericht des Arbeitgebers kann mündlich vorgetragen werden, aber auch ein schriftlicher Bericht ist möglich. Der Arbeitgeber kann sich auf dieser Versammlung durch eine dazu berufene kompetente Person
vertreten lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn z.B. der Personalleiter die Verhandlungen geführt hat und zu einzelnen Fragen besser antworten kann, als der Arbeitgeber persönlich.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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