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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 126: Hilfe Kündigung - Kündigungsfristen, Sozialauswahl

Der Fall:

    Der autoritäre Arbeitgeber Gottlob hat sich über die freche Bettina von Arnim geärgert. Er drückt ihr die Kündigungserklärung in die Hand mit der Aufforderung, sich sofort aus dem Betrieb wegzuscheren.
    Bei diesem Aufwasch kündigt er den verträumten Ludwig Uhland gleich mit. Kündigungsfrist 2 Wochen. Auch der gebrechliche, nach 40 Jahren Betriebszugehörigkeit fast unbrauchbare Wolfram von Eschenbach erhält auch die Kündigung. Kündigungsfrist 6 Wochen zum Quartal.
    Sind die Kündigungsfristen in Ordnung? Gilt das Kündigungsschutzgesetz? Sozialauswahl?

Die Lösung:

1. Kündigungsarten

    Es gibt verschieden Möglichkeiten der Kündigung. Dazu zählen insbesondere die außerordentliche und die ordentliche Kündigung. Die ordentliche Kündigung ist der Normalfall. Bei der ordentlichen Kündigung ist eine Kündigungsfrist einzuhalten.
    Die ordentliche oder außerordentliche Kündigung ist i.d.R. eine Beendigungskündigung. Damit soll das Arbeitsverhältnis endgültig beendet werden. Daneben gibt es noch die Änderungskündigung. Die Änderungskündigung beinhaltet zum einen eine Beendigungskündigung zu einem bestimmten Termin. Zum anderen aber wird dem Arbeitnehmer das Angebot zur Weiterbeschäftigung unter veränderten Verhältnissen gemacht. Diese veränderten Verhältnisse sind meistens schlechtere Bedingungen. Der Arbeitnehmer kann die Änderung und Weiterbeschäftigung zu veränderten Bedingungen annehmen. Er ist dazu aber nicht verpflichtet. Nimmt er die veränderten Bedingungen nicht an und klagt er gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfolgreich, so muß er allerdings wie bei der Beendigungskündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden.

2. Außerordentliche Kündigung

    In § 626 BGB ist die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung vereinbart. Die außerordentliche Kündigung ist nur bei “wichtigem Grund” möglich. Das bedeutet, daß eine massive Arbeitsvertragspflichtverletzung vorliegen muß, die so schwer ist, daß dem Arbeitgeber noch nicht einmal die Einhaltung der Kündigungsfrist zumutbar ist. Die außerordentliche Kündigung erfolgt deshalb regelmäßig als fristlose Kündigung oder Kündigung mit einer sehr kurzen Frist.
    Achtung: Die außerordentliche Kündigung sollte vom Arbeitgeber nur mit großer Vorsicht gehandhabt werden. Sie ist nur das “allerletzte Mittel” zur Regelung von Konflikten im Betrieb. Zumeist ist der Arbeitgeber mit der außerordentlichen Kündigung nur bei strafbaren Handlungen erfolgreich.

3. Gesetzliche Kündigungsfristen

    Bei der ordentlichen Kündigung sind als Mindestkündigungsfristen die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 626 BGB einzuhalten.
    – In der Probezeit beträgt die Mindestkündigungsfrist 2 Wochen, danach 4 Wochen zum 15. oder zum Monatsende,
    – ab 2 Jahren Beschäftigung 1 Monat zum Monatsende,
    – ab 5 Jahren Beschäftigung 2 Monate zum Monatsende,
    – ab 8 Jahren 3 Monate zum Monatsende,
    – ab 10 Jahren 4 Monate zum Monatsende,
    – ab 12 Jahren 5 Monate zum Monatsende,
    – ab 15 Jahren 6 Monate zum Monatsende,
    – ab 20 Jahren 7 Monate zum Monatsende.
    Bei der Berechnung der Beschäftigung werden die Zeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahres nicht berücksichtigt.
    Abweichungen davon können im Tarifvertrag vereinbart werden. Im allgemeinen sind abweichende einzelvertragliche Fristen nur dann wirksam, wenn sie zugunsten des Arbeitnehmers länger sind, als die gesetzlichen Fristen.

4. Tarifliche Kündigungsfristen

    Tarifliche Kündigungsfristen finden auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer organisiert, d.h. in der Gewerkschaft und im Arbeitgeberverband Mitglied sind. Außerdem können tarifliche Fristen vereinbart werden im Geltungsbereich eines entsprechenden Tarifvertrages zwischen nichtgebundenen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Dies ist dann im schriftlichen Arbeitsvertrag aufzunehmen.

5. Vertragliche Kündigungsfristen

    Vertragliche Kündigungsfristen sind rechtlich zulässig, sofern sie für den Arbeitnehmer günstiger sind, als die gesetzlichen Kündigungsfristen.
    Kürzere einzelvertragliche Fristen sind nach § 622 Abs. 5 BGB nur möglich bei Kurzarbeitsverhältnissen bis zu 3 Monaten befristet oder in Kleinbetrieben bis zu 20 Arbeitnehmern.
    Es ist deshalb festzuhalten, daß sowohl die Kündigungsfrist für Uhland wie auch die Kündigungsfrist für den langjährig beschäftigten Eschenbach nicht mit dem gesetzlichen Mindeststandard übereinstimmt und deshalb viel zu kurz ist.

6. Kündigungsschutzgesetz

    Unabhängig von der Frage der Kündigungsfrist und der Kündigungsart können sich die gekündigten Arbeitnehmer auf das Kündigungsschutzgesetz berufen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG vorliegen. Dazu ist eine Beschäftigung von mehr als 6 Monaten erforderlich. Im Unternehmen müssen außerdem mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigt sein.

7. Sozialauswahl

    Im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung muß der Arbeitgeber bei der Frage, wen er kündigt, die gesetzliche Sozialauswahl des § 1 Abs. 3 KSchG einhalten. Dabei muß er insbesondere das Lebensalter, die Beschäftigungsdauer und die Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigen. Die Kündigung des gebrechlichen Wolfram von Eschenbach ist in Anbetracht dieser Umstände wegen Verstoß gegen diese Grundsätze sozialwidrig.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug