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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 298: AGG IV – Sexuelle Belästigung
Frage:
Muß ich mir eine sexuelle Belästigung durch Arbeitskollegen oder Arbeitgeber im Betrieb gefallen lassen? Wo kann ich mich beschweren, muß mir der Betriebsrat helfen? Habe ich eine Chance, wenn ich wegen dem
Erzählen von Witzen oder dem Streicheln oder Küssen einer Arbeitskollegin gekündigt werde?
Der Fall:
Die Arbeitnehmer Casanova und Potemkin machen sich einen Spaß daraus, jeden Montag die weiblichen Auszubildenden über ihre amourösen Abenteuer am Wochenende zu befragen und einer Schilderung aller Einzelheiten zu
bestehen. Die Arbeitgeberin Katharina von Anhalt-Zerbst tobt, als sie das erfährt und wirft beide fristlos raus. Casanova und Potemkin klagen und fühlen sich wegen ihrer Kollegialität mißverstanden.
Die Lösung:
1. Schutz vor Belästigung
Wer sich sexuell oder in anderer Weise im Betrieb belästigt fühlt, hat das Recht, sich beim Arbeitgeber und/oder beim Betriebsrat zu beschweren. Sowohl der Arbeitgeber, wie der Betriebsrat sind verpflichtet,
umgehend entsprechende Maßnahmen einzuleiten bzw. eine Klärung der Vorwürfe durchzuführen. Achtung: In der Praxis besteht das Problem in der Regel in der Beweisbarkeit der Vorwürfe. Solche Belästigungen
erfolgen zumeist unter vier Augen und werden im Streitfall abgestritten. Trotz aller Bemühungen sind in solchen Fällen die Aufklärungsmöglichkeiten von Betriebsrat, Arbeitgeber oder auch des Arbeitsgerichts sehr
beschränkt. Wichtig ist deshalb im Vorfeld eine entsprechende Beweissicherung
2. Ermahnung
In ganz leichten Fällen der sexuellen Belästigung kommt eine formlose Ermahnung in Betracht. Zu denken wäre z.B. an eine einmalige Belästigung durch einen sexuellen Witz, der gegen den Willen der betroffenen
Person erzählt wird.
3. Abmahnung
Die Abmahnung ist gegenüber der Kündigung stets das mildere Mittel. Vor einer verhaltensbedingten Kündigung ist sie deshalb stets erforderlich, wenn nicht schon erhebliche einschlägige Vorgänge vorhanden sind.
Die Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn die Verstöße so schwerwiegend sind, daß der Arbeitnehmer nicht damit rechnen konnte, der Arbeitgeber werde die Verstöße ohne Kündigung hinnehmen.
Von der Rechtsprechung entschiedene Fälle: – unerwünschtes Streicheln (ein Arbeitnehmer hat wiederholt seinen Arm um die Schulter einer Auszubildenden gelegt und sie an einer nicht-kompromittierenden Stelle
gestreichelt), – Pieksen, Hinterherpfeifen, In-den-Weg-Stellen (ein Arbeitnehmer hat Kolleginnen durch Pieksen, Stechen und Hinterherpfeifen belästigt und sich ihnen in den Weg gestellt), – sexuell
gefärbter Spott (ein Arbeitnehmer hat sich mit sexuellen Anspielungen über Herpesbläschen bei Kolleginnen lustig gemacht).
4. Ordentliche Kündigung
Bei stärkerer sexuelle „Anmache“ oder Tätlichkeiten im Bereich erogener Zonen sieht die Rechtsprechung zumindest eine ordentliche Kündigung als angemessen an. Beispiele: – Bewerbungsgespräch in einer Sauna
(ein Personalchef traf sich mit Stellenbewerberinnen in den Abendstunden und begab sich mit ihnen in die Sauna, um dort Einstellungsgespräche zu führen), – wiederholt obszöne Angebote (ein Bereichsleiter hat
seinen Mitarbeiterinnen gegenüber wiederholt obszöne Angebote gemacht und diese mit keuchenden Geräuschen untermalt), – Schlag gegen weibliche Brust (ein Arbeitskollege hat einer Kollegin gegenüber öfters
Bemerkungen sexuellen Inhalts gemacht, ihr mit dem Handrücken gegen die Brust geschlagen und gemeint, sie solle sich nicht so anstellen), – Anfassen weiblicher Brust, – wiederholte Umarmungen und
Berührungen bzw. Streicheln gegen den Willen der Mitarbeiterin.
5. Außerordentliche Kündigung
Sind die Belästigungen so stark, daß die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wird, so ist die fristlose, außerordentliche Kündigung nach der Rechtsprechung gerechtfertigt. Beispiele: – Anfassen
an Po und Brüsten (ein Ausbilder pflegte mit Auszubildenden einen besonders lockeren Umgang und faßte sie an die entsprechenden Körperstellen), – fortgesetztes Erzählen sexueller Geschichten (ein Arbeitnehmer
hat seine Kollegin über einen längeren Zeitraum damit belästigt, daß er ihr immer wieder pornographische Geschichten und Witze erzählte, um sie damit zum Erröten zu bringen oder anzumachen), – obszöne
Aufforderung zu sexuellen Handlungen (ein Arbeitnehmer hat seine Kollegin mehrfach zu sexuellen Handlungen aufgefordert, u.a. mit Worten wie „kleine süße Sau“ etc., – obszönes Ausfragen, Bemerkungen und
Berühren (ein Arbeitnehmer hat eine Kollegin regelmäßig montags in obszöner Weise nach ihren sexuellen Aktivitäten während des Wochenendes befragt, sie dabei auch an die Brust gefaßt und ihr mitgeteilt, er könne
ihr verschiedene Techniken zeigen).
6. Ergebnis
Die Rechtsprechung reagierte bereits vor dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz scharf auf sexuelle Belästigungen aller Art am Arbeitsplatz. Nach der Einführung dieses Gesetzes ist allen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern dringend angeraten, von solchen Belästigungen abzusehen und auch nur den „bösen Anschein“ zu vermeiden, um nicht unschuldig in Verdacht zu geraten. Die Arbeitgeber müssen, wenn sie Kenntnisse
erlangen, nach dem aufgeführten abgestuften System reagieren, um selbst nicht in Gefahr zu geraten, ein „feindliches Umfeld“ geschaffen oder geduldet zu haben. Allerdings wird in der Praxis weiter das Problem
der Beweisbarkeit von Vorwürfen sich stellen. Um „Hexenjagden“ und dem Vorwurf der Verleumdung zu begegnen, ist allen Belästigten dringend anzuraten, zunächst ausreichende Beweise zu sammeln, soweit dies möglich
ist.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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