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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 282: Arbeitslosengeld – Sperrzeit IV

Der Fall

    Trainer Helmut Schön stand in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis in der Regionalliga. Als ihm ein befristeter Trainervertrag in der 2. Bundesliga angeboten wurde, mit der Aussicht auf Verlängerung, kündigte er. Sein befristetes Trainerarbeitsverhältnis in der 2. Bundesliga wurde jedoch dann nicht verlängert. Die Arbeitsagentur hat eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe verhängt. Schön habe seine Arbeitslosigkeit durch den Wechsel in die Befristung zumindest grob fahrlässig herbeigeführt.
    Willy Quadflieg war als Bühnenarbeiter im Theater unbefristet beschäftigt. Der Theaterintendant Piscator wurde auf ihn und seine schauspielerischen Fähigkeiten aufmerksam. Er bot ihm im Drama Macbeth die Hauptrolle befristet für eine Spielzeit an. Willy Quadflieg beendete seine Bühnenarbeitertätigkeit per Auflösungsvertrag und schloß den befristeten Arbeitsvertrag ab. Nachdem kein Anschlußengagement erfolgte, meldete er sich arbeitslos. Die Arbeitsagentur will eine Sperrzeit verhängen.
    Die Handpoliererin Agatha Christie will vom Limousinenpolieren zum Krimimilieu wechseln. Doch ihr Arbeitgeber Ettore Bugatti will trotz Drängens keine Kündigung aussprechen, da Agatha glänzend poliert. Aus diesem Grunde kündigt Agatha selbst und nimmt pro forma für 2 Monate bei der Sängerin Erika Köth ein Arbeitsverhältnis Noten-Interpoliererin an. Nach 2 Monaten endet das Engagement. Als Starthilfe für die Krimi-Karriere möchte Agatha 12 Monate Arbeitslosengeld. Die Arbeitsagentur will eine Sperrzeit verhängen.
    Arbeitgeber James Cooper kündigt Winnetou auf dessen dringenden Verlangens hin nur sehr ungern betriebsbedingt, weil er sehr viel Arbeit hat und Winnetou brauchen könnte. Winnetou benötigt aber viel Freizeit und Arbeitslosengeld, um gemeinsam mit Old Shatterhand in aller Ruhe den Henry-Stutzen einzuschießen und einen schönen Federschmuck für den nächsten Kriegspfad zu kreieren.
    Als die Arbeitsagentur nachfragt, gesteht Arbeitgeber James Cooper ein, nur auf Verlangen von Winnetou gekündigt zu haben.
    Alle Arbeitnehmer wenden sich gegen die verhängte Sperrzeit.

Die Lösung

1. Versicherungswidriges Verhalten

    Die Auflösung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem Ziel, ein befristetes Arbeitsverhältnis einzugehen, stellt generell nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein grob fahrlässiges Verhalten in Sinne des § 144 SGB III dar. Führt das anschließende befristete Arbeitsverhältnis zur Arbeitslosigkeit, so ist letztendlich stets ein versicherungswidriges Verhalten gegeben. Es stellt sich nur die Frage, ob die Arbeitnehmer dafür einen wichtigen Grund hatten, der dieses versicherungswidrige Verhalten rechtfertigt.
    Anderenfalls wäre die Verhängung einer Sperrzeit rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Trainer Helmut

    Helmut Schön hat ein unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgegeben, um eine Befristung in der 2. Bundesliga einzugehen. Da dieses befristete Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt wurde, liegt in der Gesamtschau eine Arbeitsaufgabe vor, die zu einer Sperrzeit führen könnte.
    Von einer Sperrzeit ist nur abzusehen, wenn ein wichtiger Grund i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III vorliegt. Bei der Beurteilung des wichtigen Grundes ist zu beachten, daß dem Arbeitnehmer die Freiheit der Berufswahl grundsätzlich verbürgt ist.
    Wegen dieser jedem Arbeitnehmer zustehenden Grundrechtsposition muß generell auch die Möglichkeit vorhanden sein, attraktive andere Arbeitsverhältnisse aufzunehmen und ein weniger attraktives Arbeitsverhältnis zu beenden.
    Der Aufstieg eines Trainers von der Regionalliga in die 2. Bundesliga ist sowohl von der Aufgabe, wie auch von den Einkommensverhältnisse her ein deutlicher Aufstieg. Es kann dem Arbeitnehmer nicht verwehrt werden, eine finanziell weitaus attraktivere Position einzunehmen, auch wenn er das Risiko der Befristung dabei eingehen muß.
    Nach Abwägung der Gesamtumstände muß deshalb davon ausgegangen werden, daß der Trainer Helmut Schön einen wichtigen Grund zum Aussteigen aus der unbefristeten Position hatte. Auch wenn letztendlich die Herbeiführung der Arbeitslosigkeit fahrlässig war, so wiegt dieser wichtige Grund dies auf und verhindert die Verhängung einer Sperrzeit.

3. Vom Bühnenarbeiter zum Schauspieler

    Willy Quadflieg kann für das Ausscheiden aus dem unbefristeten Arbeitsverhältnis des Bühnenarbeiters nicht geltend machen, daß er sich als Schauspieler im Anfängerstatus finanziell deutlich verbessert hätte. So gut verdienen Schauspieler am Anfang nicht.
    Unabhängig von der finanziellen Situation muß jedoch die grundgesetzlich verbürgte Freiheit der Berufswahl auch dem Arbeitnehmer offen stehen, der alleine von der Tätigkeit her eine attraktiv erscheinende andere Tätigkeit im befristeten Arbeitsverhältnis aufnehmen möchte.
    Willy Quadflieg war der Wechsel in ein anderes Berufsfeld zwar nicht mit einer erheblich besseren Bezahlung versüßt worden. Der Wechsel war jedoch mit einer deutlichen Erweiterung und Verbesserung seiner beruflichen Möglichkeiten und eines entsprechenden beruflichen Aufstiegs verbunden. Aus diesem Grunde kann von einer mißbräuchlichen Gestaltung des anschließenden befristeten Arbeitsverhältnisses nicht die Rede sein. Ein wichtiger Grund für den Wechsel in das befristete Arbeitsverhältnis war gegeben.

4. Starthilfe für Krimi-Karriere

    Im Falle von Agatha Christie muß davon ausgegangen werden, daß letztendlich das Arbeitsverhältnis von 2 Monaten bei der Sängerin Erika Köth nur zur Tarnung diente und dazu, eine Sperrzeitregelung wegen Eigenkündigung oder Auflösungsvertrages zu umgehen.
    Da das befristete Arbeitsverhältnis sich nur auf einen unwesentlichen Zeitraum erstreckte und Agatha Christie einen sicheren unbefristeten Job bei Ettore Bugatti aus rein persönlichen Interessen aufgab, ist die Verhängung einer Sperrzeit von 12 Wochen gerechtfertigt.

5. Kündigung auf Verlangen

    Formal gesehen hat Arbeitgeber James Cooper dem Mitarbeiter Winnetou zwar betriebsbedingt gekündigt, tatsächlich aber fußte die Kündigung nicht auf betrieblichen Gründen, sondern auf dem Verlangen des Arbeitnehmers Winnetou.
    Da es sich hier um eine mißbräuchliche Gestaltung der Kündigung handelte und letztendlich hinter der Kündigung der Wille zur Arbeitsaufgabe durch Winnetou steckte, lag ein versicherungswidriges Verhalten von Winnetou vor. Es gibt keinen wichtigen Grund für dieses Verlangen, da die privaten Freizeitinteressen des Arbeitnehmers für die Arbeitsagentur ohne Belang sind.
    Die Verhängung einer Sperrzeit durch die Arbeitsagentur war nach dem Geständnis des Arbeitsgebers James Cooper unvermeidlich.

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug