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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 265: Surfen im Internet – Kündigung V

Der Fall

    Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten Arbeitszeit im Internet beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, daß jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und gespeichert wird und daß Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen.
    Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur privaten Internetnutzung hingewiesen.
    Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, daß der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3 Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-bay, aber auch verschiedene Chat-Foren. Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien.
    Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, daß dieser stundenlang mit diversen Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er zu Hunderten pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per e-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.
    Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten. Sie behaupten, von dem Verbot der privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.

Die Lösung

10. Unbefugter Download

    Eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten kann sich auch daraus ergeben, daß ein Arbeitnehmer eine erhebliche Menge Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme herunterläd. Dies gilt insbesondere dann, wenn dadurch die betrieblichen Datensysteme bzw. ihre Speicherkapazitäten teilweise blockiert werden oder wenn damit die Gefahr einer möglichen Infizierung mit Viren oder anderen Störungen des betrieblichen Betriebssystems verbunden wären.
    Eine Pflichtverletzung könnte auch darin bestehen, daß die heruntergeladenen Daten, Videos etc. im Betrieb während der Arbeitszeit vom Arbeitnehmer weiterverarbeitet oder an andere Arbeitskollegen weiterversandt werden.

11. Rufschädigung

    Ein besonderes Problem stellt die private Internetnutzung dar, wenn erotische oder pornografische Seiten aufgesucht werden, oder gar solche pornografischen Darstellungen auf die betrieblichen Datensysteme heruntergeladen werden. Der Arbeitnehmer muß davon ausgegangen werden, daß auch bei einer privaten Internetnutzung es generell untersagt ist, pornografische Seiten aufzusuchen oder gar solche Darstellungen herunterzuladen.
    Dies gilt ebenso für das Herunterladen strafbarer Inhalte oder Darstellungen.
    In einem solchen Falle muß der Arbeitnehmer damit rechnen, daß im Zweifel eine Abmahnung überflüssig ist und der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zumindest ordentlich kündigen kann.
    Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer solche pornografischen Darstellungen dann auch noch verschickt, wie im Falle des Arbeitnehmers Jerome Lustigk.
    In diesem Falle ist die Arbeitgeberin mit dem Vorgehen des Arbeitnehmers Jerome nicht nur durch die verlorene Arbeitszeit und entsprechende Kosten belastet. Vielmehr muß die Arbeitgeberin zusätzlich eine massive Rufschädigung durch das Versenden der pornografischen Inhalte befürchten.
    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein solches Vorgehen im Zweifel eine Kündigung, ggf. auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

12. Kosten / Arbeitszeit

    Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Rechtsprechung zur Privatnutzung des Internets durch Arbeitnehmer ausdrücklich darauf hingewiesen, daß im Rahmen einer Kündigung auch zu berücksichtigen ist, daß dem Arbeitgeber dadurch zusätzliche Kosten entstehen und der Arbeitnehmer die Betriebsmittel unberechtigt genutzt und damit blockiert hat.
    Gravierend sieht die Rechtsprechung auch den Verlust der Arbeitszeit für den Arbeitgeber. Während ein Arbeitnehmer im Internet zu privaten Zwecken surft, belastet er den Arbeitgeber nicht nur durch die für diese Zeit erfolgte Vergütungszahlung. Vielmehr erbringt er in dieser Zeit seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht oder nicht in der erforderlichen Weise und belastet dadurch den Arbeitgeber ein weiteres Mal. Gerade die Vernachlässigung der Arbeitpflicht kann beim Arbeitgeber erhebliche Schäden verursachen.

13. Interessenabwägung

    Im Rahmen einer Kündigung, insbesondere einer außerordentlichen Kündigung muß der Arbeitgeber vor Ausspruch die Interessen beider Seiten in angemessener Weise abwägen. Neben der eigentlichen Vertragsverletzung sind auch die sonstigen Umstände, insbesondere die Dauer des bisherigen Arbeitsverhältnisses, eine etwaige bisher beanstandungsfreie Erbringung der Arbeitsleistung, die Schwere und der Umfang der Pflichtverletzung, der Umfang etwaiger Schäden, abzuwägen. Es ist dann zu prüfen, ob die festgestellten Pflichtverletzungen in Anbetracht dieser zusätzlichen Abwägungen für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung ausreichen.

14. Fazit

    a. Bei der unzulässigen oder übermäßigen privaten Nutzung des Internet durch Arbeitnehmer im Betrieb kann eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht oder vertraglicher Nebenpflichten sich aus verschiedenen Umständen ergeben, nämlich insbesondere
    – durch eine Nutzung gegen ein ausdrückliches Verbot des Arbeitgebers,
    durch das Nichterbringen der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung während des privaten Surfens im Internet,
    durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme (unbefugter Download),
    durch die zusätzlichen Kosten, die mit einer privaten Internetnutzung entstehen,
    durch die Rufschädigung des Arbeitgebers, wenn strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden.
    Der Arbeitnehmer verletzt seine Pflicht zur Arbeit, wenn er während der Arbeitszeit einer privaten Internetnutzung nachgeht ohne Erlaubnis des Arbeitgebers. Diese Pflichtverletzung ist umso schwerer zu werten, je mehr der Arbeitnehmer im Rahmen der Privatnutzung des Internets in zeitlicher, aber auch in inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt.
    Soweit der Arbeitnehmer die private Internetnutzung in erheblicher oder gar exzessiver Weise zeitlich ausdehnt, muß er davon ausgehen, daß der Arbeitgeber dies generell nicht dulden will. Dies gilt auch bei einem Fehlen eines ausdrücklichen Verbots der privaten Internetnutzung.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug