Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 251: Ethik-Regeln XI – Einbeziehung Angehöriger / Ökoregeln / Internetregeln

Der Fall

    Der Großinquisitor Konrad von Marburg beschäftigt in seinem Hospital neben der Elisabethkirche neben anderen Mitarbeitern die Krankenschwester Elisabeth von Thüringen. Er will auch die Familienangehörigen in ein firmenkonformes Verhalten einbinden. Deshalb hat er eine Ethik-Richtlinie erlassen, wonach es Familienangehörigen untersagt ist, bei Konkurrenzunternehmen zu arbeiten, oder sich an Wettbewerbsunternehmen gesellschaftsrechtlich oder aktienmäßig zu beteiligen. Elisabeth hat diese Richtlinie unterschrieben.
    Als ihr Ehemann Ludwig sein Hospital in Eisenach dem konkurrierenden Arbeiter-Samariter-Bund übergab und sich mit 20 % am Gesellschaftskapital der Eisenacher Krankenhausbetriebe GmbH beteiligte, drohte Konrad von Marburg der Elisabeth die fristlose Kündigung an.
    Großinquisitor Konrad legt auch großen Wert auf eine schöpfungsgerechte Ökologie. Deshalb hat er in seiner Ethik-Richtlinie weiterhin allen Bediensteten den Genuß von Fast-Food dienstlich und privat untersagt. Gestattet ist nur der Kauf von Öko-Tomaten vom Hof Capelle aus Beltershausen. Zusätzlich ist jeder Mitarbeiter durch die Ethik-Richtlinie verpflichtet worden, in seinem Zimmer den Strom ausschließlich mit Solarzellen herzustellen.
    Konrad stellt fest, daß die Krankenschwester Elisabeth in der Hospitalkantine Holland-Tomaten auspackte. In ihrer Dienstwohnung über der Sakristei der E-Kirche fehlten immer noch die Solarzellen. Schließlich ertappte Konrad die Mitarbeiter Elisabeth und Hermann von Salza, wie sie im Fast-Food-Restaurant McBarbarossa einen Pruzzen-Burger aus dem Fleisch des fast ausgerotteten ostpreußischen Elches verzehrten. Nun kündigte Konrad von Marburg das Arbeitsverhältnis und die Dienstwohnung über der Sakristei fristlos.
    Da Handy- und Internetnutzung für den Charakter schädlich ist, hat Konrad von Marburg für alle Hospitalmitarbeiter in den Ethik-Richtlinien auch deren Privatnutzung im Dienst streng untersagt. Er erfaßt sämtliche Zielnummern und kontrolliert heftig. Junker Jörg als Betriebsrat will dabei mitbestimmen.

Die Lösung

1. Familienangehörige

    Manche Arbeitgeber versuchen in ihren Ethik-Richtlinien nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch deren Familienangehörigen einzubeziehen und ihnen Verhaltenspflichten aufzuerlegen. Es ist kein Ausnahmefall, daß Arbeitgeber Familienangehörigen z.B. höhere Positionen bei Mitbewerbern oder gar Gesellschaftsbeteiligungen untersagen, wenn dadurch Informationen an die Mitbewerber fließen können, bzw. Geschäftsentscheidungen von Familienangehörigen mitgetragen werden. Selbst-Kündigungen erfolgen aus solchen Gründen.
    Auch wenn die Ethik-Richtlinie in diesem Punkt durch die Unterschrift von Elisabeth Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist, beinhaltet die Richtlinie insoweit einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter. Das BGB hat Verträge zu Lasten Dritter generell untersagt. Dies gilt selbst dann, wenn der belastete Familienangehörige keine Einwendungen erhebt.
    Der Arbeitsvertrag und das Direktionsrecht des Arbeitgebers Konrad von Marburg erstreckt sich alleine auf das Verhältnis mit Elisabeth von Thüringen.
    Achtung: Möglich und sachlich gerechtfertigt wäre es allerdings, wenn Arbeitgeber Konrad der Mitarbeiterin Elisabeth untersagt, ihrem bei der Konkurrenz tätigen Ehemann Ludwig wichtige Geschäftsinformationen weiterzugeben. Dem Arbeitgeber ist Recht darin zu geben, daß hier ein Interessenkonflikt vorliegt, der in jedem Falle unter Berücksichtigung der Interessen beider Seiten gelöst werden muß.
     

2. Mitbestimmung

    Eine Mitbestimmung des Betriebsrats für solche unzulässigen Verträge zu Lasten Dritter besteht nicht. Eine entsprechende Betriebsvereinbarung wäre ebenfalls wegen Verstoßes gegen zwingendes Bürgerliches Recht rechtsunwirksam. Außerdem hat der Betriebsrat keine Kompetenz zum Abschluß von Betriebsvereinbarungen über außenstehende Dritte. Er ist nur berufen zur Vertretung der Mitarbeiter im Betrieb.

3. Ökologierichtlinien

    Es ist grundsätzlich begrüßenswert, wenn ein Arbeitgeber im Rahmen von Ethik-Richtlinien die Mitarbeiter zu einem ökologisch vertretbaren Umgang mit den Ressourcen im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Insoweit besteht auch ein Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dieser kann darüber bestimmen, wie die Mitarbeiter in der Firma mit seinen Materialien, Vorräten und Gerätschaften arbeiten. Er hat allerdings die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.
    Da insoweit das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter betroffen ist und nicht das Ordnungsverhalten, besteht auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der Frage, ob bzw. wie ökologisch gearbeitet wird.

3. Privatleben

    Der Arbeitgeber kann jedoch die Mitarbeiter nicht per Direktionsrecht verpflichten, sich auch in ihrem Privatleben ökologisch zu verhalten bzw. zu wirtschaften. Welche Tomaten Elisabeth einkauft und wie sie ihren Strom bezieht oder erzeugt, ist nicht Sache des Arbeitgebers.
    Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, im Rahmen von Ethik-Richtlinien missionarisch tätig zu sein und das von ihm als richtig erkannte ethische Verhalten auch im Privatleben der Mitarbeiter zu erzwingen.
    Die Ethik-Richtlinien des Konrad von Marburg verstoßen insoweit gegen das Persönlichkeitsrecht der Elisabeth von Thüringen und gegen ihr Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Artikel 2 Grundgesetz. Entsprechende Anweisungen oder Verträge sind rechtsunwirksam.

4. Handy- und Internetnutzung

    Arbeitsvertraglich hat der Arbeitgeber das Recht, darüber zu bestimmen, ob oder inwieweit Mitarbeiter das betriebliche Internet, wie auch das betriebliche Telefon oder das betriebliche Handy privat nutzen dürfen.
    Soweit der Arbeitgeber die dienstliche Nutzung von Internet oder Firmentelefon zur Gänze untersagt, besteht kein Mitbestimmungsrecht. Wenn der Arbeitgeber allerdings eine private Nutzung jedenfalls zum Teil zuläßt, betrifft dies nicht das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter, sondern die Ordnung des Betriebes. Aus diesem Grunde liegt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats vor.
    Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch gegeben in Bezug auf die Kontrolle des Telefon- und Internetverhaltens der Mitarbeiter. Auch hier ist die Ordnung des Betriebes betroffen. Dies gilt insbesondere für die Frage der Zielnummererfassung, der Kontrolle der einzelnen Festplatte etc. Dem Arbeitgeber Konrad ist dringend anzuraten, mit dem Betriebsrat Junker Jörg insoweit eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.

>> Nächste Folge
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug