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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 248: Ethik-Regeln VIII – Verbot von Geschenken und Zuwendungen / Betriebsgeheimnisse

Der Fall

    Arbeitgeber Lucky Luciano hat lange genug diverse Etablissements betrieben, um zu wissen, wie Auftragnehmer, Lieferanten, Kunden, Behörden etc. am besten geschmiert werden. Als Kenner der Materie betreibt Lucky Luciano nunmehr auch einen großen Selbstbedienungs-Supermarkt mit einem Bewachungsunternehmen.
    Er meint, aus gutem Grund folgende Ethik-Richtlinie per Rundschreiben an alle Mitarbeiter einführen zu müssen:
    „Es ist den Mitarbeitern nicht erlaubt, von Kunden, von Lieferanten, potentiellen Lieferanten und Kunden Geschenke und Zuwendungen anzunehmen, danach anzufragen, wenn Grund zur Annahme besteht, daß diese Person dadurch Einfluß auf eine Geschäftsentscheidung nehmen kann. Auch im Bereich der Dienstleistung, z.B. dem Restaurant, dürfen vom Kunden keinerlei Zuwendungen angenommen werden.
    Beispiele für Geschenke/Zuwendungen: Trinkgelder, kostenlose Waren, Lebensmittel, Essen, Alkoholika aller Art, Tickets für Sport- oder Unterhaltungsveranstaltungen, Schmiergelder in Form von Waren oder Geld, abgelaufene Muster oder Waren, bezahlte Reisen und alle Arten von persönlichen Dienstleistungen, Gefälligkeiten etc. von Dritten.
    Sie haben zu beachten:
    Jedes Geschenk oder jede Zuwendung muß unter Hinweis auf diese Richtlinie zurückgegeben werden. Sofern eine Rückgabe unmöglich ist, geht das Geschenk in das Eigentum des Arbeitgebers über.
    Jedes Angebot von Dritten wegen eines Geschenks oder einer Zuwendung muß sofort dem Vorgesetzten gemeldet werden.“
    Der generell sehr geradlinige Mitarbeiter Thomas Müntzer hält die Ethik-Richtlinie für stark überzogen. Er hat gerade beim Anliefern von Waren in der Kirchengemeinde „Maria Regina“ einen silbernen Rosenkranz geschenkt bekommen zur Förderung seiner geplanten Walfahrt nach Santiago de Compostela. Er will den Rosenkranz weder an die Gemeinde, noch an Lucky Luciano zurückgeben.
    Der Betriebsratsvorsitzende August Bebel meint, daß nach der Wertigkeit der Trinkgelder und Geschenke unterschieden werden müsse. Die üblichen Gelegenheitsgeschenke wie Feuerzeuge, Kulis, Taschenkalender könne der Arbeitgeber nicht einfach verbieten. Jedenfalls besteht insoweit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
    In der Ethik-Richtlinie regelt Arbeitgeber Lucky Luciano außerdem das generelle Verbot zur Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.

Die Lösung

4. Verbot der Gelegenheitsgeschenke

    Meines Erachtens bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, daß der Arbeitgeber generell alle Zuwendungen verbietet, auch sozial adäquate Gelegenheitsgeschenke. Andererseits kann der Arbeitgeber auch zulassen, daß Mitarbeiter Gelegenheitsgeschenke bis zu einer gewissen Wertgrenze annehmen.
    Ein generelles Trinkgeldverbot wäre nur in den Branchen problematisch, in denen das Trinkgeld traditionell als Teil des Lohnentgelts gilt bzw. gerechnet wird.
    Der Arbeitgeber ist der Geschäftsherr, für den der Mitarbeiter bezahlt arbeitet. Aus diesem Grunde kann der Arbeitgeber vertraglich über die Erfüllung der Arbeitsleistung und über den Umgang der Mitarbeiter mit Kunden, Lieferanten etc. bestimmen. Dazu gehört auch, Geschenke jeglicher Art zu verbieten.
    Zum anderen kann nicht generell unterstellt werden, daß die Annahme von Gelegenheitsgeschenken die Arbeitsleistung nicht beeinflussen könnte. Jeder Restaurantbesucher weiß, daß die Höhe des Trinkgeldes durchaus geeignet ist, das Entgegenkommen der Bedienung zu beeinflussen. Der Arbeitgeber hat deshalb das Recht, durch ein gänzliches Verbot die Neutralität des Arbeitnehmers sicherzustellen.

5. Was sind Gelegenheitsgeschenke?

    In der Praxis ist auch die Frage sehr problematisch, was ein sozial adäquates Gelegenheitsgeschenk ist. In der gerichtlichen Praxis gibt es genügend Fälle, wo Arbeitnehmer im Außendienst oder im Bereich der Auftragsvergabe teure Restauranteinladungen für sozial adäquat und geringfügig halten. Bei einer Obergrenze ist die Frage, ob die Annahme von wiederholten Geschenken unterhalb der Grenze zulässig ist.
    Sofern der Arbeitgeber die Annahme von Gelegenheitsgeschenken im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung zuläßt, ist dringend zu empfehlen, exakte Festlegungen zu treffen.

6. Mitbestimmungsrecht

    Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf meint, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei den üblichen Werbe- und Gelegenheitsgeschenken besitzt, daß dies noch in den Bereich des Ordnungverhaltens falle.
    Diese Ansicht ist höchst problematisch. Richtigerweise muß davon ausgegangen werden, daß der Arbeitgeber bei einem völligen Verbot der Geschenkannahme zunächst nur die Arbeitsleistung konkretisiert. Insoweit besteht dann kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
    Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Arbeitgeber bei der Vorteilsannahme differenziert oder Regelungen trifft, wie bei Geschenkannahme zu verfahren ist, welche Genehmigung einzuholen ist etc. Insoweit hat Betriebsrat August Bebel Recht.
    Bei der Festlegung von Obergrenzen oder einzelner zulässiger Vorteile, wie auch bei der Regelung der Verfahrensweise wird insbesondere das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer betroffen. Hier hat der Betriebsrat mitzubestimmen.
    Dies gilt im vorliegenden Falle auch bei der Anweisung von Lucky Luciano, Geschenke im Zweifel beim Arbeitgeber abzuliefern und schon jedes Angebot eines Vorteils dem Vorgesetzten zu melden.

7. Betriebsgeheimnisse

    Die Regelung über den Umgang von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen stellt eine Konkretisierung des Arbeitsverhaltens und der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen dar. Aus diesem Grunde besteht insoweit kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
    Achtung: Bei solchen Regelungen sollte der Arbeitgeber jedoch klar regeln und deutlich machen, was er unter Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen versteht.
    Der Arbeitgeber muß sich darüber im Klaren sein, daß er nicht die Weitergabe jeglicher Information über den betrieblichen Alltag verbieten kann. Betriebsgeheimnisse in diesem Sinne sind nur die Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen und nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt bzw. nicht offenkundig sind. Der Arbeitgeber muß ein berechtigtes wirtschaftliches und rechtliches Interesse daran haben, diese Tatsachen vor Dritten geheim zu halten. Geschäftsgeheimnisse beziehen sich dann neben den persönlichen und wirtschaftlichen Interessen zusätzlich auf technische Angelegenheiten.
    Die Verschwiegenheitspflicht als arbeitsvertragliche Nebenverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis besteht jedoch nicht bei den sonstigen täglichen und oft banalen Vorgängen im Betrieb.

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug