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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 188: Ein-Euro-Job XI

Der Fall

    Betriebsrat Lorenzo Medici will bei der Einstellung der Arbeitslosen in Arbeitsgelegenheiten mitbestimmen. Das verweigert Lukretia, weil diese Arbeitslosen keine Arbeitnehmer sind.
    Lorenzo will klagen. Auch Leonardo will klagen auf ein ordentliches Zeugnis und Schmerzensgeld. Zu welchem Gericht sollen sie gehen?

Die Lösung

IX. Mitbestimmung des Betriebsrats

    1. Einerseits gilt das Betriebsverfassungsgesetz für arbeitslose Hilfebedürftige im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II nicht, da diese nicht Arbeitnehmer sind. Der Betriebsrat ist dafür gewählt, die Interessen der beschäftigten Arbeitnehmer zu vertreten.
    Andererseits aber muß stets berücksichtigt werden, daß die Interessen der Arbeitnehmer eines Betriebes auch dann beeinträchtigt oder tangiert werden können, wenn außenstehende Dritte in den Betrieb eingegliedert werden und im Betriebsablauf mitwirken.

    2. Aus diesem Grunde hat der Betriebsrat nach § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung von Arbeitslosen in Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs. 3 SGB II.
    Das Bundesarbeitsgericht hat nach der sog. „Eingliederungstheorie“ schon lange entschieden, daß die Mitbestimmung des Betriebsrats sich auf alle faktischen Einstellungen bezieht, unabhängig davon, welchen rechtlichen Status die im Betrieb Tätigen besitzen, d.h. ob sie Arbeitnehmer sind, freie Dienstnehmer oder gar Selbständige, die in den Betriebsablauf eingegliedert werden.
    Entscheidend ist nur die tatsächliche Eingliederung in den Betriebsablauf, d.h. die Unterstellung unter das Direktionsrecht des Dienstherrn. Das ist gerade auch bei Arbeitsmaßnahmen gegeben. Aus diesem Grunde hat Betriebsrat Lorenzo Medici Recht, daß Arbeitgeberin Lukretia verpflichtet ist, bei allen Einstellungen dieser Art vorher die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.
    Inwieweit andere Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats durch die Einstellung von Mitarbeitern über Arbeitsgelegenheiten berührt werden, muß die Zukunft zeigen.

X. Prozessuales

    Die Frage der Zuständigkeit der Gerichte für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitsgelegenheiten kann schwierig zu beantworten sein. Sie hängt insbesondere auch von der Frage ab, ob das Rechtsverhältnis zwischen dem Maßnahmeträger und dem arbeitslosen Leistungsempfänger ein privatrechtliches oder ein öffentlich-rechtliches Verhältnis ist.

1. Streit Leistungsträger - Leistungsempfänger

    Streitigkeiten zwischen dem Leistungsträger (Arbeitsagentur etc.) und dem Arbeitslosen bzw. Leistungsempfänger sind öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nach dem SGB II. Für diese Streitigkeiten ist die Sozialgerichtsbarkeit zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 45a SGB). Dies gilt sowohl für Streitigkeiten aus der Eingliederungsvereinbarung wie auch für Streitigkeiten wegen einer Zwangszuweisung durch Verwaltungsakt oder z.B. Streitigkeiten wegen Kürzung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 SGB II.

2. Streit Leistungsträger - Maßnahmeträger

    Bei Streitigkeiten zwischen dem Leistungsträger und dem Maßnahmeträger könnten ebenfalls die Sozialgerichte zuständig sein. Insoweit liegt ein öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis nach SGB II vor.

3. Streit Maßnahmeträger - Leistungsträger

    Schwieriger gestaltet sich die Zuständigkeitsfrage bei Streit zwischen dem Maßnahmeträger und dem Leistungsempfänger, d.h. dem Arbeitslosen.
    Soweit in Zukunft von den Gerichten ein öffentlich-rechtliches Verhältnis auch zwischen dem Arbeitslosen und dem Maßnahmeträger angenommen wird, wären wohl ebenfalls die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Soweit die Gerichte aber das Vorliegen eines privat-rechtlichen Vertrages wegen arbeitnehmerähnlicher Person annehmen würden, käme die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts in Betracht. Für arbeitnehmerähnliche Personen sind nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG die Arbeitsgerichte zuständig.
    Insbesondere diese Frage ist jedoch noch ungeklärt. Wer klagen will, muß sich entscheiden und beantragen, den Rechtsstreit bei Unzuständigkeit zum zuständigen Gericht zu verweisen. Dies gilt auch für Leonardo und sein Zeugnis sowie seinen Schmerzensgeldanspruch. Beide Ansprüche sind privatrechtlicher Art. Gleichwohl könnte bei einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zwischen Maßnahmeträger und Leonardo die Sozialgerichtsbarkeit zuständig sein.

4. Streit Betriebsrat - Arbeitgeber

    Für die Streitigkeiten des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin wegen Mitbestimmungsfragen auch bezüglich Mitarbeiter in Arbeitsgelegenheiten sind stets die Gerichts für Arbeitssachen nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG zuständig. Streitigkeiten über Mitbestimmungsfragen sind Zivilverfahren, die vor dem Arbeitsgericht im Rahmen eines Beschlußverfahrens abzuwickeln sind.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug