Hans-Gottlob-Ruehle.de
Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 176: Wichtige Voraussetzungen zum Arbeitslosengend II (3)

Der Fall

    Im Rahmen des Antrags auf Arbeitslosengeld II werden Winnetou und Old Shatterhand aufgefordert, ihre Einkommen und ihre Vermögen restlos offen zu legen. Beide fragen sich, ob sie das wirklich müssen?
    Winnetou hat eine Lebensversicherung. Wenn er diese, da das Arbeitslosengeld II zunächst auflösen und einsetzen muß, hat er einen Verlust von 30 % beim Rückkaufwert. Muß er das ertragen?
    Billy the Kid bekommt mit seinen 26 Jahren schon Arbeitslosenhilfe II. Die Bundesagentur möchte gerne beim Vater Buffalo Bill Rückgriff nehmen. Sie beruft sich dabei auf die Unterhaltsregelungen des BGB. Muß Buffalo Bill zahlen?

Die Lösung

1. Auskunftspflichten

    Wie bereits ausgeführt, gilt beim Arbeitslosengeld II der Subsidiaritätsgrundsatz. Dies bedeutet, daß jeder zunächst sein Einkommen und sein Vermögen einsetzen muß, um seinen Lebensunterhalt zu bezahlen. Antragsteller für das Arbeitslosengeld II müssen ihre Vermögenswerte und Einkommen einsetzen, soweit gewisse Freigrenzen nicht überschritten werden.
    Aus diesem Grunde ist jeder Antragsteller auf Arbeitslosengeld II verpflichtet, sein Einkommen wie auch sein Vermögen detailliert anzugeben. Er ist darüber hinaus auch verpflichtet, auch das Einkommen und das Vermögen der Angehörigen aus der Bedarfsgemeinschaft anzugeben.
    Darüber hinaus muß die Wohnsituation detailliert dargelegt werden, d.h. nicht nur die Miete und Nebenkosten, sondern auch die Wohnfläche.
    Im Zweifelsfalle kann der Träger der Grundleistung Vermögensangaben der Antragsteller bei Banken und Finanzbehörden selbst überprüfen.
    Es ist daher erforderlich, daß solche Angaben detailliert und gründlich gemacht werden.

2. Grundsatz der wirtschaftlichen Verwertbarkeit

    In § 12 Abs. 3 Ziff. 6 SGB II (Hartz IV) hat der Gesetzgeber bestimmt, daß die Verwertung des Vermögens im Rahmen der Antragstellung nicht gefordert werden kann, wenn die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.
    Dies bedeutet, daß die Verwertung des Vermögens auch bei dem Überschreiten der Freibeträge nicht durchgehend zwingend ist. Die Verwertung muß stets auch wirtschaftlich möglich sein. Wenn z.B. bei Winnetou die Lebensversicherung nur mit einem erheblichen Verlust gekündigt und rückgekauft werden kann, so ist die Verwertung unwirtschaftlich und unzumutbar. Die Auflösung des Versicherungsvertrages ist Winnetou nicht zumutbar.
    Dasselbe gilt für den Verkauf von überdimensioniertem Wohneigentum oder von Antiquitäten, Kunst oder anderen Gegenständen. Sofern für diese Gegenstände auf dem Markt kein angemessener Betrag zu erzielen ist, wäre die Verwertung unzumutbar. Die Träger der Grundsicherung können nicht verlangen, daß Vermögen verschleudert wird.

3. Haftung von Unterhaltsverpflichteten

    Entgegen den Regeln des BGB hat der Gesetzgeber in § 33 Abs. 2 SGB II den Übergang des Unterhaltsanspruches auf die Bundesanstalt für Arbeit bzw. den Träger der Grundsicherung bei Beziehern von Arbeitslosengeld II weitgehend ausgeschlossen. Der Übergang eines Unterhaltsanspruches auf den Träger der Grundsicherung nach Bürgerlichem Recht darf nicht bewirkt werden, wenn die unterhaltsberechtigte Person mit dem Arbeitslosengeldempfänger in einer Bedarfsgemeinschaft lebt oder mit dem Arbeitslosengeldempfänger verwandt ist und der Unterhaltsanspruch nicht geltend gemacht wird.
    Ausnahme: Die Überleitung des Unterhaltsanspruches gegen die Eltern auf den Träger der Grundsicherung ist möglich bei minderjährigen Hilfebedürftigen und bei Hilfebedürftigen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen h aben. Dies bedeutet:
    – Eltern können wegen Zahlung von Arbeitslosengeld II und wegen Zahlung von Sozialgeld an ihre volljährigen Kinder ab dem 25. Lebensjahr vom Träger der Grundsicherung nicht zur Rückzahlung herangezogen werden.
    – Volljährige Kinder, deren Eltern Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld erhalten, können vom Träger der Grundsicherung ebenfalls nicht zu Unterhaltszahlungen durch Überleitung herangezogen werden.
    Im Ergebnis kann Buffalo Bill wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld II an seinen 26-jährigen Sohn Billy the Kid nicht zur Unterhaltszahlung von der Arbeitsagentur herangezogen werden.
     

>> Nächste Folge:
<< Zurück zur Übersicht

 

Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung.
Wichtiger Hinweis: Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
 

Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

STARTSEITE >>

Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug