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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 228: Die Falle Befristungsrecht

Der Fall:

    Arbeitgeber Hippokrates betreibt ein Krankenhaus. Den Arzt Aeskulap stellt er schriftlich befristet für 3 Jahre ein. Der Befristungsgrund ist im Vertrag aber nicht aufgeführt.
    Der Krankenpfleger Orpheus wird zunächst für 6 Monate befristet zur Erprobung eingestellt. Da Hippokrates nicht zufrieden war, verlängert er die Befristung für weitere 12 Monate. Als Befristungsgrund ist im 2. Vertrag ebenfalls die Erprobung genannt. Die ihm vom Konzertverein gut bekannte Schwester Helena stellt Hippokrates ebenfalls befristet für 1 Jahr ein. Wegen der gemeinsamen Freude an der Musik und der langjährigen Bekanntschaft hält er einen schriftlichen Vertrag für überflüssig.
    Da Hippokrates umstrukturiert, will er bei allen 3 Arbeitnehmern die Weiterbeschäftigung mit Ablauf der Befristung beenden. Die Arbeitnehmer sind damit nicht einverstanden. Sie meinen wegen Rechtsfehlern des Arbeitgebers bei der Befristungsvereinbarung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu stehen. Wer hat Recht?

Die Lösung:

1. Gesetzliche Befristungsregeln

    Die wichtigsten Regeln zum befristeten Arbeitsverhältnis sind mittlerweile in § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) und in den nachfolgenden Paragrafen enthalten.
    Nach § 14 Abs. 2 TzBfG kann Arbeitgeber Hippokrates insgesamt 2 Jahre lang ohne einen Sachgrund („einfach so“) das Arbeitsverhältnis befristen. Die Befristung muß nicht auf 2 Jahre abgeschlossen werden. Er kann kürzere Zeiträume wählen und die Befristung jeweils vor Ablauf bis zu insgesamt 3 Mal verlängern.
    Beispiel: 4 Befristungen mit jeweils 6 Monaten, die ersten 2 Befristungen jeweils 3 Monate, die nächste Befristung 6 Monate und die vierte Befristung 12 Monate. Entscheidend ist nur, daß die Verlängerung jeweils vor Ablauf der letzten Befristung erfolgt.
    Eine Befristung ohne Sachgrund ist nicht möglich, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits zu früheren Zeiten ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
    Im übrigen kann das Arbeitsverhältnis mit einem Sachgrund befristet werden. § 14 Abs. 1 TzBfG hat eine Liste von 8 Sachgründen aufgestellt, die aber nicht abschließend ist. Zu den Befristungsgründen zählen z.B.:
    – ein vorübergehender betrieblicher Bedarf, z.B. im Weihnachtsgeschäft, in der Hochsaison, zur Abwicklung eines einzelnen Forschungsprojekts,
    – Vertretung eines anderen Arbeitnehmers, z.B. bei Krankheit, Elternzeit, Urlaub,
    – Erprobungszwecke,
    – Eigenart der Arbeitsleistung, z.B. im Bereich der Kunst, Schauspieler und Sänger, Schönheitstänzerinnen,
    – Befristung im gerichtlichen Vergleich.

2. Schriftlichkeit der Befristung

    In § 14 Abs. 4 TzBfG ist ausdrücklich geregelt, daß die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Dies gilt generell für alle Beendigungsarten des Arbeitsverhältnisses, z.B. auch für die Kündigung oder den Auflösungsvertrag. Nach § 623 BGB müssen auch diese schriftlich sein.
    Achtung: Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift aber nur geregelt, daß die Befristung an sich zur Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Werden andere wichtige Vertragsbestandteile nur mündlich vereinbart, so sind diese gleichwohl wirksam. Dies gilt insbesondere für den Befristungsgrund! Der Befristungsgrund muß nicht schriftlich vereinbart sein.
    Die Befristungsvereinbarung mit Krankenschwester Helena ist rechtsunwirksam, weil sie nur mündlich getroffen ist. Wenn Helena trotz des musikalisch begründeten Vertrauensverhältnisses vor dem Arbeitsgericht klagt, wird sie gewinnen. Ihr Arbeitsverhältnis besteht unbefristet fort.
    Der befristete Vertrag von Aeskulap wird dagegen nicht deshalb unwirksam, weil der Befristungsgrund nicht schriftlich niedergelegt ist. Wenn ein Befristungsgrund tatsächlich bestand, ist auch die schriftliche Befristungsabrede wirksam.

3. Austausch des Befristungsgrundes

    Für eine Befristung von 3 Jahren beim Arzt Aeskulap brauchte Arbeitgeber Hippokrates einen sachlichen Grund. Dieser fehlt im Vertrag. Nach neuer Rechtsprechung ist nicht entscheidend, ob der Befristungsgrund im Vertrag genannt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob objektiv ein Befristungsgrund vorlag.
    Im Prozeß führt Arbeitgeber Hippokrates an, daß er Aeskulap als Mutteschafts- und Elternzeitvertretung für die schwangere Ärztin Daphne eingestellt hat. Wenn Daphne tatsächlich in Elternzeit gegangen war, besteht objektiv ein Befristungsgrund. Die Befristung auf 3 Jahre ist dann wirksam. Aeskulap verliert den Prozeß.
    Pfleger Orpheus hat im Vertrag Erprobung stehen. Nach der Rechtsprechung ist bei normalen Tätigkeiten nur eine einmalige Erprobung von 6 Monaten möglich. Die 2. Befristung mit dem gleichen Befristungsgrund Erprobung ist deshalb rechtsunwirksam. Es bestand kein ausreichender sachlicher Grund für eine Verlängerung der Erprobung. Diese 2. Befristung ist unwirksam.
    Arbeitgeber Hippokrates möchte den Befristungsgrund zwar auswechseln wegen Schwangerschaft diverser Krankenschwestern. Dies ist aber nicht möglich, wenn der Befristungsgrund im Arbeitsvertrag konkret festgelegt ist. Arbeitgeber Hippokrates ist daran gebunden. Orpheus obsiegt.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug