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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 223: Kündigung wegen Diebstahl II
Der Fall
Greta Garbo ist als Filialleiterin im Drogeriemarkt einer Kette seit 2 Jahren beschäftigt. Sie hat 3 Untergebene. Es besteht die Personalanweisung an
alle, sowohl bei Personalkauf in der Filiale wie auch bei dem Einbringen persönlicher Waren in die Filiale jeweils eine schriftliche Gegenzeichnung bzw. Bestätigung einer Arbeitskollegin einzuholen. Für die
mitgebrachten oder in der Filiale gekauften Zigarettenschachteln läßt sie weisungswidrig niemanden gegenzeichnen. Wegen immer höherer Inventurdifferenzen, insbesondere auch im Zigarettenbereich ließ die
Arbeitgeberin eine große Sendung Zigaretten heimlich markieren und die Chargennumerierung der Schachteln schriftlich festhalten. Bei einer späteren Taschenkontrolle wurde bei Greta eine Schachtel Zigaretten
im Wert von 3,25 Euro gefunden. Die Zigarettenmarke wurde in der Filiale verkauft. Die Zigarettenschachtel war markiert und wies die vorher festgehaltene Chargennummer auf. Greta bestritt in einer Anhörung alle
Vorwürfe. Sie behauptete, die Zigaretten an einer Tankstelle gekauft zu haben. Ggf. sei ihr die Schachtel von einer Kollegin untergeschoben worden. Im übrigen solle sich die Arbeitgeberin nicht so anstellen, da
es sich nur um eine geringwertige Ware handele. Die Arbeitgeberin kündigte gleichwohl fristlos wegen Diebstahls bzw. wegen des dringenden Diebstahlverdachtes. Greta hält die Kündigung für unwirksam.
Die Lösung
5. Verdachtskündigung / Tatkündigung
Ist eine Vertragsverletzung oder gar eine Straftat im Arbeitsverhältnis erwiesen und klar, so kann der Arbeitgeber eine Tatkündigung, z.B. eine Kündigung
wegen erwiesener Straftat aussprechen. Oft ist aber die Lage nicht völlig klar, es liegen aber erhebliche Indizien vor. In diesem Falle kann der Arbeitgeber eine ordentliche oder außerordentliche
Verdachtskündigung aussprechen. Da bei einer Verdachtskündigung der letzte Beweis fehlt, sind die Voraussetzungen allerdings streng: – es muß ein durch Tatsachen belegter und erhärteter, nahezu unabweisbarer
Verdacht bestehen, daß die Arbeitnehmerin eine bestimmte strafbare Handlung oder Vertragsverletzung begangen hat, – durch diesen dringenden und mit Tatsachen belegten Verdacht ist das Arbeitsverhältnis und
das Vertrauensverhältnis massiv beeinträchtigt, – die Arbeitgeberin hat die Arbeitnehmerin vor Ausspruch der Kündigung zu dem Verdacht angehört und ihr die Möglichkeit zur Rechtfertigung oder zur Entkräftung
des Verdachtes gegeben, – die Arbeitgeberin hat alle ihr möglichen und sowohl wirtschaftlich wie technisch zumutbaren Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt, – der Arbeitgeberin ist es unter Abwägung aller
Umstände des Einzelfalls gleichwohl nicht mehr zumutbar, das Arbeitsverhältnis wegen dieses Verdachtes und des Vertrauensverlustes fortzusetzen. Filialleiterin Greta wurde vor Ausspruch der Kündigung
angehört. Die Arbeitgeberin hat ihre Zigarettenschachteln markiert und die Chargennummern auf der Banderole aufgeschrieben. Damit hat die Arbeitgeberin auch die Voraussetzungen der Verdachtskündigung erfüllt.
6. Beweispflicht der Arbeitgeberseite
Bei jeder verhaltensbedingter Kündigung, ob ordentlich oder außerordentlich, muß die Arbeitgeberseite im Bestreitensfalle die den Kündigungsgrund bildenden
Tatsachen darlegen und beweisen. Diese Beweispflicht stellt für die Arbeitgeberseite oft eine schwierige Hürde dar. Gleichwohl ist die Kündigung unwirksam, wenn die Arbeitgeberin die den Kündigungsgrund
bildenden Tatsachen nicht im einzelnen nachweist. Allgemeine Erfahrungsgrundsätze, Wahrscheinlichkeiten und allgemeine Verdachtsmomente reichen nicht aus! In unserem Falle hat Greta zum einen die
Personalanweisungen über die Kennzeichnung eingebrachter eigener Waren verletzt. Die Arbeitgeberin hat weiter die aufgefundene Zigarettenschachtel markiert und die Chargennummer notiert. Diese stimmt mit der
Banderole auf der Zigarettenschachtel überein. Damit hat die Arbeitgeberin ihre Nachweispflicht für eine Tatkündigung erfüllt.
7. Einwendungen der Arbeitnehmerin
Hat die Arbeitgeberseite ihre Beweispflicht erfüllt, so kann die Arbeitnehmerseite entlastende Gegenbeweise führen. Dazu müssen aber auch entsprechende
Beweismittel vorhanden sein. Es reicht nicht aus, daß Greta einfach behauptet, die Zigarettenschachtel stamme von einer Tankstelle oder Arbeitskolleginnen hätten ihr diese Schachtel unterschoben. Für solche
entlastende Behauptungen muß auch Beweis erbracht werden. Ist dies nicht der Fall, werden Einwendungen dieser Art nicht berücksichtigt.
8. Geringwertige Ware
Im Falle einer Diebstahlskündigung spielt es keine entscheidende Rolle, welchen Wert die eingebrachte Ware hat. Die Störung des Vertrauensverhältnisses ist
generell auch dann schon gegeben, wenn die Arbeitnehmerin geringwertige Sachen entwendet. Entscheidend ist nicht der geringe Wert, sondern die Störung des Vertrauensverhältnisses. Der Arbeitgeber kann sich nicht
darauf verlassen, daß dieser Fall der einzige Fall war und daß solche Vertragsverletzungen in Zukunft ausgeschlossen sind. Deshalb gibt es keinen Grundsatz, daß z.B. Diebstahl bis zu einem gewissen Wert nicht
mit Kündigung geahndet werden dürfte. Der geringe Wert könnte allenfalls bei der noch vorzunehmenden Interessenabwägung eine Rolle spielen.
9. Vertrauensverlust
Die außerordentliche Kündigung ist nur dann zulässig, wenn der Vertrauensverlust so groß ist, daß der Arbeitgeberin selbst die Einhaltung der
Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar war. Dies wird bei strafbaren Handlungen regelmäßig angenommen.
10. Interessenabwägung
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zu bedenken, daß Greta als Filialleiterin ein besonderes Vertrauen genossen hat. Die Arbeitgeberin mußte sich auf die
Ehrlichkeit der Mitarbeiterin verlassen können. Jeder Arbeitnehmerin im Einzelhandel ist klar, daß Diebstahl oder Unterschlagung eine schwerwiegende Vertragsverletzung darstellt und zur Kündigung führen kann.
Die Arbeitnehmerin war auch erst 3 Jahre beschäftigt, so daß ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien noch nicht gewachsen war. Etwas anderes könnte gelten, wenn die Arbeitnehmerin viele Jahre
sehr sorgfältig und zuverlässig gearbeitet hat und ihr dann ein solcher Fehltritt mit einer geringwertigen Ware passiert. In solchen Fällen hat das BAG ausnahmsweise im Zuge der Interessenabwägung zumindest die
fristlose Kündigung abgelehnt. Ergebnis: Die fristlose Künsigung ist wegen erwiesener Straftat gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis ist beendet.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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