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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 71: Schuldanerkenntnis wegen Telefonierens während der Arbeitszeit

Telefonieren, das Versenden von E-Mails oder der Empfang, SMS, Internet-Benutzung etc. privater Art während der Arbeitszeit etc. kann dem Arbeitgeber einen ganz erheblichen Schaden verursachen, wenn der zeitliche Rahmen entsprechend ausgedehnt ist. Der Arbeitgeber hat dann generell einen Schadenersatzanspruch.

Der Fall:

Arbeitgeber Homer hatte private Telefongespräche aller Art auf Diensttelefonen oder Privathandy, das Versenden oder Empfangen von SMS, private Internetbenutzung während der Arbeitszeit ausdrücklich schriftlich verboten. Gleichwohl hat sich Arbeitnehmer Ovid darum nicht gekümmert. Aufgrund einer Telefondatenerfassung und anderer Nachforschungen flog Ovid auf. Bei Arbeitgeber Homer und seinem Personalchef Sokrates gab Ovid zu, daß er in den letzten 3 Jahren vielfach privat telefoniert und SMS versandt hat. Über die genaue Stundenzahl konnte er keine Angaben machen. Aufgrund einer gemeinsamen Schätzung wurde eine Mindestzeit von 2 Stunden Privatgesprächen während der Arbeitszeit pro Woche errechnet. Auf 3 Jahre hochgerechnet, ergab das bei 15 Euro Stundenlohn einen Schadensbetrag von 4.500 Euro.
Um eine Kündigung und die Hinzuziehung der Polizei zu vermeiden, unterschrieb Ovid ein Schuldanerkenntnis über 4.500 Euro.
Als Ovid dies seiner Ehefrau Xanthippe erzählt, ficht diese das Schuldanerkenntnis für ihren Ehemann Ovid mit Vollmacht sofort an. Sie hält höchstens 1.000 Euro für gerechtfertigt.

Die Lösung

1. Anspruchsgrundlage

Anspruchsgrundlage für das Schuldanerkenntnis ist die unstreitige Vertragsverletzung von Ovid, die letztendlich einen “Zeitbetrug” beinhaltet. Arbeitgeber Homer hat den Ovid für Zeiten bezahlt, in denen dieser Privatgeschäfte betrieb statt zu arbeiten.

2. Ausschluß von Einwendungen

Das Schuldanerkenntnis führt dazu, daß alle Einwendungen des Ovids gegen die Schadenersatzforderungen des Arbeitgebers ausgeschlossen sind, die dem Arbeitnehmer Ovid zum Zeitpunkt der Unterschrift bekannt waren, oder mit denen er rechnen mußte. Ovid wußte genau, daß die Häufigkeit seiner Telefongespräche und der genaue Umfang klärungsbedürftig war und ggf. durch Polizei etc. geklärt werden sollte. Um dies zu verhindern, hat er das Schuldanerkenntnis unterschrieben.
Aus diesem Grunde ist er und seine Ehefrau Xanthippe mit dem Schuldanerkenntnis gerade von der Behauptung ausgeschlossen, daß die anerkannte Forderung zu hoch sei. Eine genaue Klärung wollte Ovid mit dem Schuldanerkenntnis ja verhindern.

3. Anfechtung

Ovid und Xanthippe können das Schuldanerkenntnis auch nicht wirksam wegen widerrechtlicher Drohung gem. § 123 Abs. 1 BGB anfechten.
Eine solche Anfechtung ist nur dann wirksam, wenn die Drohung des Arbeitgebers mit einer Kündigung und der Hinzuziehung der Polizei widerrechtlich gewesen wäre. Widerrechtlich wären die Arbeitgeberdrohungen nur gewesen, wenn die Verknüpfungen von Vertragsverletzung und Drohung unangemessen wäre (unangemessene “Zweck-Mittel-Relation”).
Das kann vorliegend nicht behauptet werden. Ein verständig denkender Arbeitgeber hatte bei einem solchen Zeitbetrug durchaus das Recht, an eine Kündigung zu denken und ggf. die Polizei einzuschalten. Die Drohung von Personalchef Sokrates war angemessen. Außerdem hatte Arbeitgeber Homer ein berechtigtes Interesse an einem Schadensausgleich. Mit dem Angebot des Homers, bei einem Schuldanerkenntnis auf Kündigung und Polizei zu verzichten, ist der ungetreue Ovid nicht übervorteilt worden. Die Drohung verstieß nicht gegen Treu und Glauben. Selbst eine Drohung mit einem Strafverfahren wäre nicht sachwidrig gewesen.

4. Höhe des Schadenersatzes

Ehefrau Xanthippe stößt sich an der Höhe des Schuldanerkenntnisses. Gegen die Höhe im Einzelnen kann Ovid aber keine Einwendungen mehr erheben, weil dies durch das Schuldanerkenntnis gerade ausgeschlossen sein sollte.
Die Festlegung der Höhe war auch nicht unverhältnismäßig oder sittenwidrig erfolgt. Vielmehr haben Ovid und Personalchef Sokrates versucht, in etwa die Stunden des Telefongespräches zu errechnen bzw. zu schätzen. Dies ist im Nachhinein ohnehin schwierig. Die Schätzung war aufgrund der Angaben des Ovid vorgenommen worden, so daß dieser auch nicht bei der Höhe übervorteilt wurde.

5. Ergebnis

Ovid muß zahlen. Tut er das nicht, darf der Arbeitgeber die pfändbaren Teile des Lohnes mit seinem Schadenersatzanspruch verrechnen. Ggfs. könnte er noch ordentlich, verhaltensbedingt wegen der Arbeitsvertragsverstöße kündigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn Arbeitnehmer Ovid und Ehefrau Xanthippe den getroffenen Vergleich anfechten und für unwirksam erklären. Dann könnte Arbeitgeber Homer sich dieser Erklärung anschließen, den Personalchef Sokrates mit der Kündigung beauftragen und seinen Schadenersatzanspruch vor dem Arbeitsgericht durchprozessieren.
Fazit: Empörte Ehegatten erweisen dem betroffenen Arbeitnehmer nicht immer einen guten Dienst!

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug