Folge 71: Schuldanerkenntnis wegen Telefonierens während der Arbeitszeit
Telefonieren, das Versenden von E-Mails oder der Empfang, SMS, Internet-Benutzung etc. privater Art während der Arbeitszeit etc. kann dem Arbeitgeber einen
ganz erheblichen Schaden verursachen, wenn der zeitliche Rahmen entsprechend ausgedehnt ist. Der Arbeitgeber hat dann generell einen Schadenersatzanspruch.
Der Fall:
Arbeitgeber Homer hatte private Telefongespräche aller Art auf Diensttelefonen oder Privathandy, das Versenden oder Empfangen von SMS, private
Internetbenutzung während der Arbeitszeit ausdrücklich schriftlich verboten. Gleichwohl hat sich Arbeitnehmer Ovid darum nicht gekümmert. Aufgrund einer Telefondatenerfassung und anderer Nachforschungen flog Ovid
auf. Bei Arbeitgeber Homer und seinem Personalchef Sokrates gab Ovid zu, daß er in den letzten 3 Jahren vielfach privat telefoniert und SMS versandt hat. Über die genaue Stundenzahl konnte er keine Angaben machen.
Aufgrund einer gemeinsamen Schätzung wurde eine Mindestzeit von 2 Stunden Privatgesprächen während der Arbeitszeit pro Woche errechnet. Auf 3 Jahre hochgerechnet, ergab das bei 15 Euro Stundenlohn einen
Schadensbetrag von 4.500 Euro. Um eine Kündigung und die Hinzuziehung der Polizei zu vermeiden, unterschrieb Ovid ein Schuldanerkenntnis über 4.500 Euro. Als Ovid dies seiner Ehefrau Xanthippe erzählt, ficht
diese das Schuldanerkenntnis für ihren Ehemann Ovid mit Vollmacht sofort an. Sie hält höchstens 1.000 Euro für gerechtfertigt.
Die Lösung
1. Anspruchsgrundlage
Anspruchsgrundlage für das Schuldanerkenntnis ist die unstreitige Vertragsverletzung von Ovid, die letztendlich einen “Zeitbetrug” beinhaltet. Arbeitgeber
Homer hat den Ovid für Zeiten bezahlt, in denen dieser Privatgeschäfte betrieb statt zu arbeiten.
2. Ausschluß von Einwendungen
Das Schuldanerkenntnis führt dazu, daß alle Einwendungen des Ovids gegen die Schadenersatzforderungen des Arbeitgebers ausgeschlossen sind, die dem
Arbeitnehmer Ovid zum Zeitpunkt der Unterschrift bekannt waren, oder mit denen er rechnen mußte. Ovid wußte genau, daß die Häufigkeit seiner Telefongespräche und der genaue Umfang klärungsbedürftig war und ggf.
durch Polizei etc. geklärt werden sollte. Um dies zu verhindern, hat er das Schuldanerkenntnis unterschrieben. Aus diesem Grunde ist er und seine Ehefrau Xanthippe mit dem Schuldanerkenntnis gerade von der
Behauptung ausgeschlossen, daß die anerkannte Forderung zu hoch sei. Eine genaue Klärung wollte Ovid mit dem Schuldanerkenntnis ja verhindern.
3. Anfechtung
Ovid und Xanthippe können das Schuldanerkenntnis auch nicht wirksam wegen widerrechtlicher Drohung gem. § 123 Abs. 1 BGB anfechten. Eine solche
Anfechtung ist nur dann wirksam, wenn die Drohung des Arbeitgebers mit einer Kündigung und der Hinzuziehung der Polizei widerrechtlich gewesen wäre. Widerrechtlich wären die Arbeitgeberdrohungen nur gewesen, wenn
die Verknüpfungen von Vertragsverletzung und Drohung unangemessen wäre (unangemessene “Zweck-Mittel-Relation”). Das kann vorliegend nicht behauptet werden. Ein verständig denkender Arbeitgeber hatte bei einem
solchen Zeitbetrug durchaus das Recht, an eine Kündigung zu denken und ggf. die Polizei einzuschalten. Die Drohung von Personalchef Sokrates war angemessen. Außerdem hatte Arbeitgeber Homer ein berechtigtes
Interesse an einem Schadensausgleich. Mit dem Angebot des Homers, bei einem Schuldanerkenntnis auf Kündigung und Polizei zu verzichten, ist der ungetreue Ovid nicht übervorteilt worden. Die Drohung verstieß nicht
gegen Treu und Glauben. Selbst eine Drohung mit einem Strafverfahren wäre nicht sachwidrig gewesen.
4. Höhe des Schadenersatzes
Ehefrau Xanthippe stößt sich an der Höhe des Schuldanerkenntnisses. Gegen die Höhe im Einzelnen kann Ovid aber keine Einwendungen mehr erheben, weil dies
durch das Schuldanerkenntnis gerade ausgeschlossen sein sollte. Die Festlegung der Höhe war auch nicht unverhältnismäßig oder sittenwidrig erfolgt. Vielmehr haben Ovid und Personalchef Sokrates versucht, in etwa
die Stunden des Telefongespräches zu errechnen bzw. zu schätzen. Dies ist im Nachhinein ohnehin schwierig. Die Schätzung war aufgrund der Angaben des Ovid vorgenommen worden, so daß dieser auch nicht bei der Höhe
übervorteilt wurde.
5. Ergebnis
Ovid muß zahlen. Tut er das nicht, darf der Arbeitgeber die pfändbaren Teile des Lohnes mit seinem Schadenersatzanspruch verrechnen. Ggfs. könnte er noch
ordentlich, verhaltensbedingt wegen der Arbeitsvertragsverstöße kündigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn Arbeitnehmer Ovid und Ehefrau Xanthippe den getroffenen Vergleich anfechten und für unwirksam erklären. Dann
könnte Arbeitgeber Homer sich dieser Erklärung anschließen, den Personalchef Sokrates mit der Kündigung beauftragen und seinen Schadenersatzanspruch vor dem Arbeitsgericht durchprozessieren. Fazit: Empörte
Ehegatten erweisen dem betroffenen Arbeitnehmer nicht immer einen guten Dienst!
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