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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 98: Riester-Rente und klassische Entgeltumwandlung im Vergleich

Der Fall:

    Die Ausführungen zur betrieblichen Altersversorgung, zur klassischen Entgeltumwandlung und zur Riester-Rente sind kompliziert. Sie verwirren sowohl Arbeitgeberin Steffi wie auch ihre Mitarbeiter. Serena und Venus, aber auch Boris, Igor und Martina fragen sich nun, was eigentlich die Vor- und Nachteile sind. Sie möchten gerne eine komprimierte Zusammenstellung. Diese kann aber Arbeitgeberin Steffi und so mancher Berater ihnen aber nicht geben.

Die Lösung:

1. Grundsätze

    Die Riester-Rente dient zur Verringerung der Versorgungslücke im Alter. Der Arbeitnehmer muß sich deshalb bei Abschluß langfristig festlegen. Die Riester-Rente muß vom Arbeitnehmer oder der berechtigten Person aus ihrem voll versteuerten und voll verbeitragten Nettoentgelt leisten. Zum Ausgleich für diese Vorleistung des Arbeitnehmers an Staat und Sozialversicherungsanstalten zahlt dann der Staat nach Familienstand und Kinderzahl gestaffelte Zulagen. Bei höherer steuerlicher Belastung gewährt er statt der Zulagen einen Sonderausgabenabzug nach § 10 a EStG. Im Ergebnis heißt dies, daß bei einem geringen Einkommen oder bei vielen Kindern die Riester-Rente für einen Arbeitnehmer durchaus von Vorteil sein wird. Je höher allerdings das Einkommen ist und je geringer die Kinderzahl, umso günstiger ist für den Arbeitnehmer die Rendite im Wege der klassischen Entgeltumwandlung.
    Die klassische Entgeltumwandlung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung erfolgt vom schon vereinbarten, aber noch nicht erdienten und noch nicht fälligen Bruttoentgelt. Es gibt verschiedene Durchführungswege und Anlageformen. Das Geld kann bei einer Direktzusage oder Unterstützungskasse im Unternehmenskreislauf verbleiben. Es kann aber auch über eine Direktversicherung oder Pensionskasse / Pensionsfonds extern angelegt werden.
    Der Vorteil besteht darin, daß je nach Durchführungsweg nur ein Pauschalsteuersatz von 20 % anfällt. Bei Entgeltumwandlung im Bereich der Direktzusage und der Unterstützungskasse besteht sogar volle Steuerbefreiung. Im Gegensatz zu anderen Durchführungsformen ist hier auch die Höhe der Entgeltumwandlung steuerlich ohne Beschränkung.
    Im Falle der Entgeltumwandlung sind die umgewandelten Beträge bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze (Rentenversicherung) sozialversicherungsfrei. Diese Sozialversicherungsfreiheit endet allerdings im Jahr 2009.
    Bei den Verlockungen der Entgeltumwandlung darf nicht übersehen werden, daß im Falle einer Direktzusage oder Unterstützungskasse die Sicherheit für den späteren Rentner oder Versorgungsempfänger nicht so groß ist, wie z.B. bei einer Anlage in einer Pensionskasse oder einer Direktversicherung / Lebensversicherung. Im Falle der Direktzusage oder Unterstützungskasse verbleibt das umgewandelte Entgelt regelmäßig im Vermögensbereich des Arbeitgebers. Im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers würde der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) eintreten müssen.
    Um dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis des Arbeitnehmers und späteren Versorgungsempfängers entgegenzukommen und eine maximale Rendite zu ermöglichen, gibt es mittlerweile verschiedene Arbeitgeber-unabhängige, rückgedeckte, Unterstützungskassen. Diese sind bei Versicherungsunternehmen, aber auch bei gemeinnützigen Trägern angesiedelt. Die rückgedeckten Unterstützungskassen schließen zur Abdeckung ihrer Leistungsverpflichtungen ebenfalls Lebensversicherungen ab.

2. Rendite

    Bei der Prüfung der besseren Rendite zwischen der Riester-Rente und der klassischen Entgeltumwandlung kann für das Jahr 2002 in etwa von folgenden Einkommensgrenzen / Jahreseinkommen ausgegangen werden:
    – alleinstehend, ca. 9.000 Euro,
    – verheiratet, ca. 18.000 Euro,
    – verheiratet, 1 Kind, ca 30.000 Euro,
    – verheiratet, 2 Kinder, ca. 36.000 Euro,
    – verheiratet, 3 Kinder, ca. 43.000 Euro.
    Wer über dieser Grenze liegt, muß sich überlegen, ob er ggf. von seinem Arbeitgeber statt der Riester-Rente eine Entgeltumwandlung nach § 1 a Betriebsrentengesetz verlangt. Wegen des Wegfalls der Sozialversicherungsfreiheit dürfte die Grenze ab dem Jahr 2009 nach heutigem Stand in etwa bei folgenden Einkommen liegen:
    – alleinstehend, ca. 17.000 Euro,
    – verheiratet, ca. 33.000 Euro,
    – verheiratet, 1 Kind, ca. 48.000 Euro,
    – verheiratet, 2 Kinder, ca. 61.000 Euro,
    – verheiratet, 3 Kinder, ca. 73.000 Euro.
    Achtung: Bei den Zulagen der Riester-Rente muß der Berechtigte bei Abschluß auch das Alter seiner Kinder und sein eigenes Alter beachten. Es muß genau geprüft werden, wie lange und in welcher Höhe die Kinderzulage gezahlt werden und wie lange dann die Beiträge zur Riester-Rente noch ohne Kinderzulagen zu zahlen sind. Je länger die Restzeit ohne Kinderzulagen dauert, umso niedriger ist die Rendite.

3. Verwaltungskosten

    Ein wichtiger Punkt bei der Auswahl der Anlage, auch bei der Auswahl der Zertifizierungen, ist die Frage der Verwaltungskosten, der Kosten für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer insgesamt.
    Es stellt sich außerdem die Frage, wer diese Verwaltungskosten zu tragen hat. Je geringer die Verwaltungskosten sind, desto interessanter ist die Anlage sowohl für den Arbeitnehmer wie für den Arbeitgeber. Schließlich ist auch das Nachfinanzierungsrisiko für den Arbeitgeber im Einzelfall genau zu prüfen.

4. Nachgelagerte Versteuerung

    Sowohl im Falle der Entgeltumwandlung wie auch im Falle der Riester-Rente muß der Arbeitnehmer vor seiner Entscheidung sich über den Umfang der nachgelagerten Versteuerung kundig machen. Im Falle der Entgeltumwandlung besteht z.T. eine privilegierte, d.h. begünstigte Nachversteuerungspflicht. Die Riester-Rente unterliegt im Falle des Zulagenbezuges der vollen nachgelagerten Besteuerung im Rentenfall.

5. Mobilität / Ausland

    Zu den besonderen Problemen, die die Riester-Rente aufwirft, zählt die Pflicht zur Rückzahlung aller staatlichen Zulagen in vollem Umfange, falls der Rentner seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt. Hierbei handelt es sich um ein Mobilitätshindernis, das für den einzelnen Rentner einer erhebliche Beeinträchtigung seiner späteren Bewegungsfreiheit darstellt.
    Der Fiskus begründet dies damit, daß die Erträge aus der Riester-Rente erst bei Auszahlung besteuert werden. Somit wären Personen mit Auslandswohnsitz dadurch begünstigt, daß die nachgelagerte Besteuerung entfällt. Allerdings übersieht der Fiskus, daß die eingezahlten Beträge ja bereits versteuert und verbeitragt waren. Außerdem muß ja nach Aufenthaltsland auch dort das Einkommen versteuert werden.
    Dieses Einschränkung des Rentners auch innerhalb der Europäischen Union sowie die Beschränkung der Förderfähigkeit und Zertifizierung auf inländische Anbieter hat mittlerweile Kritik auf den Plan gerufen, die die Riester-Rente jedenfalls z.T. für europarechtswidrig halten. Insbesondere für ausländische Mitarbeiter ist dieses Manko von erheblicher Bedeutung, da sie ggf. gehindert wären, ihren Lebensabend in ihrem Heimatland zu verbringen.

6. Fazit

    Die klassische betriebliche Altersversorgung, bei der der Arbeitgeber die Kosten in vollem Umfange trägt, ist für den Arbeitnehmer stets am günstigsten.
    Daneben kann sowohl die klassische Entgeltumwandlung, wie auch die Riester-Rente für den Arbeitnehmer sehr interessant sein. In beiden Fällen trägt der Arbeitnehmer wirtschaftlich diese Form der betrieblichen Altersversorgung alleine.
    Die viel propagierte Riester-Rente ist vor allem für Arbeitnehmer mit einem geringen Steuersatz und/oder Kindern interessant, insbesondere wenn diese Kinder noch sehr jung sind.
    Die klassische Entgeltumwandlung dagegen ist für Arbeitnehmer mit höheren Einkommen und damit höherem Steuersatz regelmäßig die günstigere Anlagemöglichkeit.
    In jedem Falle muß sich der betroffene Arbeitnehmer, Arbeitgeber und ggf. der zuständige Betriebsrat vor Abschluß einer Vereinbarung genau erkundigen, welche finanziellen, steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile sich bei den einzelnen Anlageformen bieten.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug