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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 6: Tritt ins Gesäß durch den Vorgesetzten Tritte zur Leistungsförderung / Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche
Der Fall:
Die Arbeiterin Rosi ist in der Spätschicht im Maschinensaal eingesetzt. Wegen des Geburtstags einer Kollegin wandte sich Rosi für eine geraume Zeit dem Geburtstagskind zu. Sie reihte
sich in den Kreis der gratulierenden und scherzenden Kolleginnen ein. Nachdem Rosi sich wieder ihrer Maschine zugewandt hatte, bückte sie sich, um die Maschine mit dem Material aus einer dort stehenden Kiste
zu bestücken. Erst in diesem Augenblick stand die Vorarbeiterin Helga hinter ihr. Helga hatte sich schon über den Auflauf im Maschinensaal geärgert. Sie hatte jedoch kein adäquates Mittel gefunden, um den
fröhlichen Kreis ohne Knurren und Murren aufzulösen. Dies hatte nur noch ihren Zorn verstärkt. Als Rosi so gebückt vor ihr stand, trat Helga der Untergebenen zur Beschleunigung der Arbeitsvorgänge mit ihrem
Sicherheitsschuh ins Gesäß. Der Sicherheitsschuh trug Stahlkappen. Noch am selben Tag suchte Rosi wegen starker Schmerzen in den hinteren Gefilden das Unfallkrankenhaus auf. In der chirurgischen Ambulanz
wurde ein Steißbeinbruch festgestellt, der zu einer Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen führte. Rosi ist empört. Sie will von ihrer strengen Vorgesetzten Helga Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Die Lösung:
1. Kein vertraglicher Anspruch
Rosi hat gegen Helga keinen Schadenersatz- und Schmerzensgeldanspruch aus dem Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag bestand nämlich nur zwischen der Arbeiterin und dem Arbeitgeber, aber
nicht mit der Vorarbeiterin. Hätte dagegen der Arbeitgeber höchstpersönlich den Tritt ausgeführt, so ergäbe sich bereits ein Schadenersatzanspruch der Arbeiterin Rosi aus schuldhafter Verletzung des
Arbeitsvertrages.
2. Gesetzlicher Schadenersatzanspruch
Nach § 823 Abs. 1 sowie Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 223, 224 StGB (Körperverletzung) muß die Vorgesetzte Helga den entstandenen Schaden der Klägerin ersetzen. Helga hat die
körperliche Unversehrtheit der Untergebenen massiv verletzt. Sie hat eine Beleidigung und Körperverletzung begangen, ggf. sogar eine gefährliche Körperverletzung. Wer im Rahmen eines Dienst- oder
Arbeitsverhältnisses eine unterstellte Person quält oder roh mißhandelt, begeht nach § 225 StGB sogar eine besonders schwerwiegende Körperverletzung (Mißhandlung von Schutzbefohlenen). Dazu ist allerdings
Vorsatz erforderlich. Helga hat die Gesundheit der Rosi durch den Tritt ins Gesäß massiv geschädigt. Ein Verschulden liegt vor. Wer einen anderen mit einem Sicherheitsschuh mit Stahlkappen tritt und verletzt,
handelt zumindest fahrlässig. Die Verletzungsgefahr ist vorhersehbar. Die Verletzung ist vermeidbar. An der zumindestens fahrlässigen Körperverletzung ändert sich auch dann nichts, wenn Helga den Tritt aus
mehr oder weniger “pädagogischen Gründen” ausführte mit der Absicht der Leistungsförderung oder Disziplinierung der schäkernden Arbeiterinnen. Ein Schuldvorwurf kann zwar dann entfallen, wenn das Verhalten des
Schädigenden im Rahmen der Sozialadäquanz und des erlaubten Risikos sich bewegt. Ein Fußtritt in den Hintern einer Arbeitskollegin stellt jedoch generell kein sozialadäquates erlaubtes Verhalten von
Vorgesetzten dar. Die Vorarbeiterin hätte die scherzende Schar mit anderen Mitteln an ihren Arbeitsplatz zurückbefördern müssen. Dies gilt umso mehr, als Rosi im Augenblick des Bückens dem Tritt der
Vorarbeiterin schutzlos ausgeliefert war.
3. Schadenersatzanspruch
Rosi kann von ihrer Vorarbeiterin alle Schäden ersetzt verlangen, die ihr durch die Verletzung entstanden sind. Dazu gehören – Selbstbeteiligung bei den Arzneimittelkosten,
– die Kosten des notwendigen ärztlichen Attestes, – Fahrtkosten, – Kosten für eine Haushaltshilfe etc. Ob und inwieweit der Arbeitgeber wegen der Entgeltfortzahlung oder die Krankenkasse wegen der
Behandlungskosten Schadenersatz von der Vorarbeiterin verlangen können, bleibt vorliegend offen.
4. Schmerzensgeld
Nach § 847 Abs. 1 S. 1 BGB kann Rosi von ihrem Vorgesetzten weiterhin eine billige Entschädigung in Geld verlangen, d.h. also Schmerzensgeld.
Bei der Bestimmung der Höhe des Schmerzensgeldes sind insbesondere – die Dauer und Stärke der Schmerzen, – die Dauer der stationären Behandlung, – die Dauer der Bettlägerigkeit zu Hause,
– die durch die Beschwerden erlittene Beeinflussung der Lebensqualität, – ggf. psychische Belastungen zu berücksichtigen. In einem vergleichbaren Fall hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom
27.5.1998 - 12 (18) Sa 196/98) ein Schmerzensgeld von 3.000 DM als angemessen erachtet. Eine entsprechende Verurteilung der Vorgesetzten ist in dieser Höhe erfolgt.
5. Haftungsausschluß gem. § 105 SGB VII?
Nach §§ 104, 105 SGB VII ist die Haftung sowohl des Unternehmens wie auch der Arbeitskollegen gegenüber einem im Betrieb Verletzten für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen,
wenn die Verletzung im Rahmen einer betrieblichen Tätigkeit herbeigeführt wurde, wenn also ein Betriebsunfall vorliegt. In diesem Falle haftet die Berufsgenossenschaft für die Verletzungsfolgen. Der
Schädiger, d.h. entweder der Arbeitgeber oder der Arbeitskollege müssen für den Körperschaden bei einem Betriebsunfall nur dann aufkommen, wenn Vorsatz vorliegt. Im vorliegenden Fall verursachte jedoch die
Vorarbeiterin Helga den Steißbeinbruch der Rosi nicht “durch eine betriebliche Tätigkeit”. Betriebliche Tätigkeit ist jede auf den Betrieb bezogene Tätigkeit, und zwar auch dann, wenn die Schädigerin bei der
Verrichtung der Arbeit fehlerhaft und leichtfertig verfährt. Damit unterfallen alle Handlungen, die im betrieblichen Interesse ausgeführt werden, der gesetzlichen Haftungsbegrenzung. Der Tritt in das Gesäß
der Untergebenen oder einer Arbeitskollegin gehört jedoch nicht zu den betrieblichen Tätigkeiten im eigentlichen Sinne Das gilt auch dann, wenn die Vorgesetzte Helga den Tritt nur deshalb ausführte, um
die Arbeiterin Rosi zu einer wünschenswerten Arbeitsleistung anzuhalten. Nach geltendem Arbeitsrecht ist weder eine Vorgesetzte noch der Arbeitgeber berechtigt, durch Handgreiflichkeiten und strafbare Handlungen
die Arbeitnehmerin zu disziplinieren oder zur Arbeitsleistung anzuhalten. Das Haftungsprivileg der §§ 104, 105 SGB VII kommt deshalb nicht der Vorarbeiterin Helga zu Gute. Sie haftet vielmehr auf
Schadenersatz und auf Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 DM.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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