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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 35: Teilzeitarbeit im Erziehungsurlaub

Die Teilzeitarbeit im Erziehungsurlaub bietet noch weitere vielfältige Probleme. Einige davon sollen noch angesprochen werden.


Der Fall:

    Arbeitnehmerin Antoinette und ihr Ehemann Louis haben bei ihrem Arbeitgeber Robespierre Erziehungsurlaub beantragt und bekommen. Nun wollen sie während des Erziehungsurlaubs mit jeweils 25 Wochenstunden weiterarbeiten.
    Robespierre hat eingesehen, daß er dies nicht ablehnen kann, er akzeptiert aber nicht die gewünschte Lage der Arbeitszeit. Sollen Antoinette und Louis klagen?


Die Lösung:

1. Lage der Arbeitszeit

    Anders als im Befristungs- und Teilzeitgesetz gibt es im Erziehungsurlaubsgesetz keine gesetzliche Regelung über die Ausgestaltung der Teilzeitarbeit während des Erziehungsurlaubs. Dies ist mißlich.
    Die Lage der Teilzeitarbeitszeit während des Erziehungsurlaubs ist sowohl für die Arbeitnehmer wie für die Arbeitgeber u.U. von erheblichem Interesse. Mangels einer gesetzlichen Regelung muß davon ausgegangen werden, daß Arbeitnehmerin Antoinette und Ehemann Louis eine bestimmte Lage der Arbeitszeit gegen den Willen des Arbeitgebers Robespierre nicht ohne weiteres durchsetzen können.
    Zunächst einmal entspricht es dem generellen Wunsch des Arbeitgebers, daß sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber über die Frage des Umfangs der Teilzeitarbeit während des Erziehungsurlaubs, damit aber auch über die Frage der Lage der Teilzeitarbeit einigen.
    Sollte das nicht der Fall sein, muß der Arbeitgeber im Rahmen des Direktionsrechtes einerseits und nach den Grenzen des billigen Ermessens gem. § 315 BGB andererseits die Lage der Arbeitszeit nach Abwägung der Wünsche und der Erfordernisse beider Seiten festlegen.
    Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber generell die Wünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen muß, soweit es ihm betrieblich möglich und zumutbar ist. Darüber kann gestritten werden. Allerdings bleibt das Entscheidungsrecht auch im Rahmen des billigen Ermessens letztlich beim Arbeitgeber.

2. Mitbestimmung des Betriebsrats

    Die Festlegung der Lage der Arbeitszeit kann in der Praxis auch deswegen problematisch werden, weil der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG generell ein Mitbestimmungsrecht besitzt bei der Verteilung und der vorübergehenden Verkürzung der Arbeitszeit im Betrieb. Ob und inwieweit bei der Teilzeitarbeit im Erziehungsurlaub ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht, ist im Augenblick gerichtlich noch nicht abschließend geklärt.
    Teilweise wird ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats abgelehnt, da der Teilzeitanspruch der Arbeitnehmer gesetzlich geregelt ist. Dabei wird aber übersehen, daß diese gesetzliche Regelung nicht die Lage der Arbeitszeit betrifft!

3. Klageverfahren

    Soweit sich Arbeitgeber und die Mitarbeiter Antoinette und Louis nicht über den Umfang der Teilzeitarbeit oder die Lage der Teilzeitarbeit einige können, ist vom Gesetzgeber in § 15 Abs. 7 (letzter Satz) BEerzGG die Einleitung eines Klageverfahrens vor den Gerichten für Arbeitssachen vorgesehen.
    Diese Regelung ist zwingend. Es ist den Arbeitnehmern dringend davor abzuraten, eigenständig zu handeln und ggf. den Betriebsfrieden zu stören.
    In einem Klageverfahren muß allerdings Arbeitgeber Robespierre damit rechnen, daß er seine Widerspruchsgründe und die diversen betrieblichen Interessen substantiiert darlegen und auch nachweisen muß.
    Eine Klagefrist ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Eine zeitnahe Klageerhebung ist jedoch immer dringend geboten.
    Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Widerspruchsgründe den antragstellenden Erziehungsurlaubern schriftlich mitzuteilen. Er ist deshalb letztendlich im Prozeß auch an diese Gründe gebunden. Inwieweit er weitere Gründe nachschieben kann, muß noch gerichtlich geklärt werden.
    In besonderen Eilfällen kann ggf. der Erziehungsurlauber auch Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht stellen, um eine bestimmte Teilzeitarbeit durchzusetzeh. Dafür braucht er jedoch ein besonderes Eilinteresse. Dies wird im Normalfall nicht gegeben sein.
    Sofern der Arbeitgeber Robespierre der Arbeitnehmerin Antoinette die Teilzeitarbeit oder eine bestimmte Lage zu Unrecht abgelehnt hat, sind ggf. Schadenersatzansprüche der Arbeitnehmerin Antoinette gegeben. Diese Schadenersatzansprüche können sich z.B. auf die Höhe der während der Teilzeitarbeit zu erwartenden Vergütung belaufen.

4. Beschäftigung auf anderem Arbeitsplatz

    Sofern Arbeitgeber Robespierre für Antoinette und Louis auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz keine Beschäftigungsmöglichkeit besitzt, könnte auch die Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz in Betracht kommen. Diese Frage ist jedoch sowohl gesetzlich wie auch von der Rechtsprechung nicht ausreichend geklärt. Interessant ist insbesondere die Frage, ob ein Anspruch auf veränderte Arbeitsbedingungen besteht:
    Gibt es einen anderen, vergleichbaren Arbeitsplatz, wird der Arbeitgeber auf Antrag diesen Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin zuweisen müssen.
    Problematisch ist, wenn es sich bei dem anderen Arbeitsplatz um einen geringerwertigen Arbeitsplatz handelt! Arbeitgeber Robespierre müßte der Angestellten Antoinette diesen geringerwertigeren Arbeitsplatz vielleicht anbieten. Diese könnte dann entscheiden, ob sie ihn annehmen will oder nicht.
    Vorsicht: Alle diese Fragen sind noch ungeklärt und werden in den nächsten Jahren die Gerichte beschäftigen. Das Ergebnis der Verfahren ist nicht abzusehen.
    Fest steht allerdings schon jetzt, daß die Erziehungsurlauber keinen Anspruch auf einen höherwertigen Arbeitsplatz besitzen. Ein solcher Anspruch auf eine höherwertige Tätigkeit im Rahmen der Teilzeitarbeit im Erziehungsurlaub ist gerichtlich nicht durchsetzbar. Für diese Rechtsfrage ist schon jetzt keine Rechtsprechung vorhanden. 

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug