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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 3. Erkundigungen über den Bewerber/Arbeitnehmer

Jeder Arbeitgeber hat ein Interesse daran, vor einer Einstellung zu überprüfen, ob er den richtigen Bewerber gefunden hat. Deshalb gilt auch im Arbeitsverhältnis für beide Seiten zunächst einmal “drum prüfe, wer sich ewig bindet”.

Der Fall:

    Arbeitgeber Ronald Regen geht davon aus, daß generell alle Bewerber für ein Arbeitsverhältnis lügen, um die Stelle zu bekommen. Zumindest aber unterstellt er den Bewerbern, daß sie sich so schön reden, wie es irgend nur möglich ist. Eine normale Befragung ist für den Arbeitgeber Ronald Regen nicht ausreichend. Er überlegt deshalb, ob er die Arbeitnehmer zunächst einmal über eine Detektei überprüfen läßt, frühere Arbeitgeber befragt und ähnliches mehr.
    Die Bewerber wissen das nicht. Darf Ronald Regen solche Maßnahmen ergreifen? Müssen sich die Bewerber das bieten lassen?

Die Lösung:

1. Informationsbedürfnis

    Es ist zunächst einmal legitim, daß der Arbeitgeber Ronald ein vehementes Informationsinteresse über seine Bewerber hat. Es ist nichts dagegen einzuwenden, daß er versucht, den geeignetsten Bewerber zu finden.
    Arbeitgeber Ronald muß allerdings seine Ermittlungen und Nachfragen im Rahmen der geltenden Gesetze halten. Er darf insbesondere nicht versuchen, rechtswidrig in die Intimsphäre eines Arbeitnehmers einzubrechen oder den Datenschutz zu verletzen.

2. Auskunft vom früheren Arbeitgeber

    Der neue Arbeitgeber ist grundsätzlich berechtigt, bei früheren Arbeitgebern Auskünfte über einen Bewerber einzuholen. Ein solches Auskunftsrecht besteht allerdings dann nicht, wenn der Bewerber es dem zukünftigen Arbeitgeber untersagt hat, sich bei einem früheren oder bei dem derzeitigen Arbeitgeber zu erkundigen.
    Ein solches Verbot empfiehlt sich insbesondere in einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Wenn der derzeitige Arbeitgeber durch eine solche Nachfrage von einer Bewerbung erfährt, kann dies zu erheblichen Störungen im Arbeitsverhältnis führen.
    Führt der neue Arbeitgeber trotz des Verbotes eine solche Umfrage durch, so kann er sich ggf. schadenersatzpflichtig machen. Dies gilt vor allem dann, wenn der Arbeitnehmer durch eine Nachfrage des Arbeitgebers Ronald Regen seinen aktuellen Arbeitsplatz verliert.
    Der neue Arbeitgeber Ronald hat gegenüber einem früheren Arbeitgeber allerdings keinen Anspruch auf Auskunft. Zu den beiden Arbeitgebern besteht keine Vertragsbeziehung.
    Sofern der Bewerber jedoch gut gearbeitet hat und einen guten Leumund hat, hat er ein eigenes Interesse daran, daß der frühere Arbeitgeber bei der Bewerbung eine positive Auskunft gegenüber dem neuen Arbeitgeber gibt. Die Rechtsprechung hat deshalb anerkannt, daß der alte Arbeitgeber im Rahmen einer “nachwirkenden Fürsorgepflicht” zu einer ordentlichen und wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet ist, sofern der Arbeitnehmer dies wünscht. Der alte Arbeitgeber hat nämlich aus dem früheren Arbeitsverhältnis die Pflicht, an der beruflichen Weiterentwicklung seines früheren Arbeitnehmers in zumutbarer Weise mitzuhelfen.

3. Detektei

    Grundsätzlich ist es bedenklich, über bestimmte Arbeitnehmer, die in die engere Auswahl gelangt sind, auch über eine Detektei Einkünfte einzuholen. Allerdings kann es auch kaum verhindert werden. Einfacher und billiger ist es allerdings, vom Arbeitnehmer ein polizeiliches Führungszeugnis zu verlangen, um bestimmte strafrechtliche Bereiche abzuprüfen. Ein polizeiliches Führungszeugnis darf jedoch nur dann verlangt werden, wenn der Arbeitnehmer in einem entsprechenden sicherheitsrelevanten Bereich arbeitet, z.B. in einer Vertrauensstellung, bei einer Bank, bei der Verwaltung von Vermögen, bei Einblick in sensible Daten über die EDV etc.

4. Schuldnerkartei

    Es existieren gewisse Schuldnerverzeichnisse, z.B. im Bankenbereich die sog. “Schufa”.
    Ronald Regen hat ein Interesse daran zu erfahren, ob sein Bewerber hochverschuldet ist, Vorpfändungen hat und ähnliches mehr. Gegen die Einblicknahme in diverse Schuldnerverzeichnisse spricht jedoch generell der Datenschutz. Soweit Ronald Regen sich hier Informationen verschafft, könnte er rechtswidrig handeln oder sich gar strafbar machen.
    Ggf. müßte der Arbeitgeber statt dessen den Bewerber bei der Einstellung nach seinen Vermögensverhältnissen bzw. nach Schulden fragen. Eine solche Frage ist jedenfalls dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer später über größere Vermögensinteressen des Arbeitgebers verfügt.

5. Schadenersatz/falsche Auskunft

    Erteilt der frühere Arbeitgeber dem neuen Arbeitgeber eine falsche Auskunft über die Qualifikation und das Verhalten im alten Arbeitsverhältnis, so macht sich der frühere Arbeitgeber eventuell schadenersatzpflichtig. Dasselbe gilt, wenn sich der frühere Arbeitgeber zu Unrecht weigert, für seinen ehemaligen Arbeitnehmer eine förderliche Auskunft zu geben.
    Sofern die Auskunft viel zu gut war, könnte sich der frühere Arbeitgeber gegenüber dem neuen Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen, wenn bei einer ordnungsgemäßen Auskunft die Einstellung nicht erfolgt wäre. Sofern die Auskunft zu schlecht war, hätte der ehemalige Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch, wenn er bei einer ordentlichen Auskunft die Stelle erhalten hätte. Das Gleiche gilt, wenn der frühere Arbeitgeber rechtswidrig eine ordnungsgemäße Auskunft gegenüber dem neuen Arbeitgeber abgelehnt hat.

6. Telefonische Auskünfte

    Es ist immer gefährlich, am Telefon Auskünfte zu erteilen. Der ehemalige Arbeitgeber sollte im eigenen Interessen grundsätzlich keine telefonischen Auskünfte erteilen. Er kann nicht überprüfen, inwieweit sich eine telefonische Auskunft später gegen ihn selbst wendet.
    Der frühere Arbeitgeber ist berechtigt, sofern er Auskunft geben muß oder will, alle anfragenden Personen auf den Schriftweg zu verweisen.
    Wenn der Arbeitgeber dann eine schriftliche Auskunft gibt, ist er jederzeit in der Lage, auch dem früheren Arbeitnehmer gegenüber eine Abschrift zu erteilen oder nachzuweisen, wie diese Auskunft auszusehen hat. Er kann sich so gegen Schadenersatzansprüche in bester Weise schützen.

7. Kein “gläserner Bewerber”

    Die Rechtsprechung und das Gesetz haben dem “Informationsbedürfnis” des neuen Arbeitgebers Grenzen gesetzt. Der neue Arbeitgeber ist nicht berechtigt, den Bewerber unangemessen zu durchleuchten und sein Privatleben, seine Intimsphäre oder bestimmte persönliche Daten zu erfahren.
    Der neue Arbeitgeber hat nur einen Anspruch auf solche Daten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und in diesem Zusammenhang für ihn im Rahmen eines berechtigten Interesses wichtig sind.
    Im übrigen muß aber der Arbeitgeber Ronald Regen sein Mißtrauen zurückstellen und bei der Einstellung das Risiko eingehen, ggf. auch “den Falschen” einzustellen.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug