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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 12:  Einstellungsgespräch - Unzulässige Fragen des Arbeitgebers, Teil II

Das Fragerecht des Arbeitgebers bei der Einstellung und in Vorstellungsgesprächen ist nicht unbegrenzt. Es muß insbesondere vermieden werden, daß der “gläserne Arbeitnehmer” hergestellt wird. Der Arbeitgeber muß alle Fragen unterlassen, die nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen und für die Erbringung der Arbeitsleistung nicht von Bedeutung sind.


Der Fall:

    Arbeitgeber Otto Hering will nur charakterlich einwandfreie, fleißige, staatstreue und formbare Arbeitnehmer einstellen. Deshalb verlangt er von dem Bewerber Max Hinkel, daß er sich “auszieht”. Bei Frauen fragt Ole Hering nach der Schwangerschaft, Männer nach der HIV-Infektion. Vorstrafen müssen ebenso benannt werden, wie die Gewerkschaftszugehörigkeit, die Zugehörigkeit zu einer Partei, ebenso wie ehrenamtliche Tätigkeiten im Verein, insbesondere welchem Verein!
    Ole Hering will auch die Vermögensverhältnisse des Max Hinkel wissen, seine Schulden, seinen Kontenstand und Vermögen.
    Max Hinkel wird ganz plümerant zumute. Er mimt einen Schwächeanfall, zieht sich zurück und fragt auf der Toilette leise den Betriebsrat, ob denn das alles zulässig sei. Auch der Betriebsrat Ungerührt ist sprachlos. Doch auch er weiß keine Antwort.
    Was darf Ole Hering nun fragen?


Die Lösung:

7. Krankheiten

    Fragen nach Krankheiten des Bewerbers und nach dem Gesundheitszustand sind nur zulässig, soweit durch Krankheiten die Arbeitsfähigkeit des Bewerbers stark beeinträchtigt ist. Fragen sind auch zulässig, soweit der Arbeitnehmer ansteckende und andere Kollegen gefährdende Krankheiten aufweist.
    Die Frage nach einer HIV-Ansteckung ist generell nicht zulässig. Sie könnte ausnahmsweise im Bereich des Gesundheitswesens oder in der Lebensmittelverarbeitung zulässig sein, falls Mitarbeiter Patienten- und Blutkontakt haben könnten.
    Der Arbeitgeber darf insbesondere nicht nach kleineren früheren Erkrankungen, nach Kinderkrankheiten etc. fragen.

8. Vorstrafen/Führungszeugnis

    Der Arbeitgeber darf nicht generell ein polizeiliches Führungszeugnis verlangen oder nach Vorstrafen aller Art fragen.
    Die Frage nach Vorstrafen ist nur zulässig, soweit die Vorstrafen die vertraglich geschuldete Tätigkeit betreffen können. Sie ist außerdem nur zulässig bezüglich der Delikte, die noch nicht nach §§ 49, 51 Bundeszentralregistergesetz getilgt sind. Im Register getilgte Strafen müssen nicht genannt werden.
    Die für ein Beschäftigungsverhältnis einschlägigen Vorstrafen müssen jedoch auf Fragen des Arbeitgebers bekanntgegeben werden. So muß z.B. ein Bankkassierer oder ein Vermögensverwalter Fragen nach Vorstrafen wegen Vermögensdelikten bekennen, ein Kraftfahrer muß Vorstrafen wegen Verkehrsstrafen preisgeben.

9. Religions-, Partei-, Gewerkschaftszugehörigkeit

    Generelle Fragen nach der Religions-, Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit sind unzulässig. Dies gilt auch für Fragen nach der entsprechenden Zugehörigkeit des Ehegatten.
    Die Frage nach der Religionszugehörigkeit kann allerdings zulässig werden, wenn der Arbeitnehmer eingestellt ist. In diesem Falle muß der Arbeitgeber abfragen, ob der Arbeitnehmer kirchensteuerpflichtig ist, d.h. ob er in der katholischen oder einer protestantischen Kirche Mitglied ist, für die Kirchensteuer abgeführt werden muß.
    Nach erfolgter Einstellung darf der Arbeitgeber auch nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragen, falls der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes ist und dadurch verpflichtet ist, Tariflohn zu zahlen. Bei der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers muß dann der Arbeitnehmer an diesen Arbeitnehmer in jedem Falle Tariflohn zahlen. Zahlt der Arbeitgeber ohnehin Tariflohn, besteht kein Anlaß zu dieser Frage.
    Die Frage nach einer Parteizugehörigkeit bzw. früherer Stasi-Tätigkeit ist in der Regel in einem heutigen, normalen Arbeitsverhältnis für die Durchführung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen ohne Bedeutung.
    Ausnahmen von den genannten Regeln gibt es dann, wenn ein Arbeitnehmer sich für ein “Tendenzunternehmen” bewirbt, z.B. für die Tätigkeit in einer kirchlichen Organisation, für die Tätigkeit in einer Partei oder einer Gewerkschaft oder für die Tätigkeit in einem Sicherheitsdienst, beim Militär, oder einem anderen sicherheitsrelevanten Bereich.

10. Ehrenamtliche Tätigkeiten/Privatleben

    Ehrenamtliche Tätigkeiten, Vereinstätigkeiten, das Privatleben und die entsprechenden Gepflogenheiten, sexuelle Vorlieben, Freizeitbetätigungen etc. gehen den Arbeitgeber generell nichts an. Solche Fragen sind in der Regel unzulässig.
    Es ist deshalb insbesondere unzulässig einen Arbeitnehmer z.B. nach einer Vorstandstätigkeit in einem Verein zu fragen.

11. Beispiele weiterer unzulässiger Fragen:

    – Wie viele Liebschaften hatten Sie in den letzten 10 Jahren?
    – In welchem Alter hatten Sie Ihren ersten Geschlechtsverkehr? Wie oft pro Jahr?
    – Wie vielen Vereinen gehören Sie an? Aktiv oder passiv?
    – Welche Ämter in kirchlichen Vereinen oder Parteien hatten Sie in den letzten 10 Jahren inne?
    – Wie hoch ist Ihre Sparquote und Ihr Sparvermögen?
    – Leben Sie über Ihre Verhältnisse, wie hoch sind Ihre monatlichen Lebenshaltungskosten?
    – Wie viele Autos besitzen Sie, wie viel Kilometer pro Jahr fahren Sie?
    – Wer hat in Ihrer Familie das Sagen bei wichtigen Entscheidungen?
    – Waren Sie im Verhältnis zu Ihren Geschwistern oft krank?
    – Wie viele Stunden am Tag sehen Sie fern, telefonieren Sie?
    – Lieben Sie das Nachtleben? Wie oft gehen Sie durchschnittlich aus pro Woche/Monat?
    – Gehen Sie oft ins Kino? Welche Filme bevorzugen Sie?
    – Wie viele Stunden pro Woche sind Sie in der Kneipe?
    – Ist Ihr Ehepartner Alkoholiker?
    – Wie hoch ist das Einkommen Ihres Ehepartners?
    – Wie viele Lebensversicherungen bestehen und in welcher Höhe?
    – Halten Sie einen Hund oder ein anderes Haustier?
    – Fühlen Sie sich durch Ihre Eltern, durch Ihren Arbeitgeber, durch Ihre Arbeitskollegen oder auf andere Weise vom Leben benachteiligt?
    – Sind Sie homosexuell/bisexuell? 

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug