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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 10:  Einstellung - Zulässige Fragen des Arbeitgebers

Bei der Einstellung werden einem Bewerber manchmal viele Fragen gestellt. Der Bewerber ist verwirrt und fragt sich, ob alle diese Fragen wirklich auch zulässig sind.


Der Fall:

    Arbeitgeber Ole Hering will nur Fragen stellen, die für ihn, für die Personalabteilung und für die Ausübung der Arbeit von Bedeutung sind. Er meinte aber, daß insbesondere Fragen im familiären Bereich unabdingbar sind, um z.B. die Sozialversicherungsdaten korrekt zu führen. Andererseits will Ole Hering vor einer Einstellung auch wissen, welche beruflichen und schulischen Qualifikationen ein Arbeitnehmer aufzuweisen hat. Dies hält er für bedeutsam, vor allem deshalb, weil die Arbeitswelt sich schnell verändert und der Arbeitnehmer flexibel eingesetzt werden soll.
    Der Bewerber Max Hinkel möchte jedoch nicht als “gläserner Arbeitnehmer” durch den Betrieb marschieren. Er ist deshalb über viele Fragen erbost, vor allem über die Frage zur Religionszugehörigkeit, zum Bezug von Betriebsrenten und zur Frage nach der Schwerbehinderung.
    Darf er diese Fragen falsch beantworten?


Die Lösung:

1. Anfechtungsrecht des Arbeitgebers/Recht zur Lüge

    Schon in der Folge 9 ist dargelegt, daß der Arbeitgeber bei der Einstellung von Arbeitnehmern nicht berechtigt ist, unterschiedslos alle Fragen zu stellen. Das Fragerecht des Arbeitnehmers ist vielmehr beschränkt. Der Arbeitgeber darf nur die Fragen stellen, die zur Einstellung, zur fachlichen und persönlichen Einschätzung, sowie zur Ausübung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erforderlich und dienlich sind. Alle anderen Fragen sind überflüssig und oft auch rechtswidrig.
    Nur dann, wenn die Fragen rechtswidrig sind, darf der Bewerber Max Hinkel diese Fragen falsch beantworten und lügen. Sofern die Fragen berechtigt sind, führt eine Lüge dazu, daß der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag jederzeit anfechten kann. Mit dieser Anfechtung wird das Arbeitsverhältnis sofort beendet, ohne Kündigungsschutz, ohne Kündigungsfrist und ohne Hilfe des Betriebsrats.

2. Zulässige Fragen des Arbeitgebers

    Die harte Konsequenz der Anfechtbarkeit eines Arbeitsvertrages bei falscher Beantwortung rechtmäßiger Fragen (vgl. Folge 9) stellt für den Bewerber Max Hinkel ein hohes Risiko dar, wenn er lügt.
    Es ist deshalb für jeden Bewerber und Arbeitnehmer von elementarer Bedeutung, zu wissen, welche Fragen vom Arbeitgeber rechtmäßig gestellt werden dürfen. Diese Fragen muß er nämlich beantworten und er muß sie richtig beantworten! Ein Fehlverhalten gefährdet seinen Arbeitsplatz massiv.

3. Beispiele

    a. Als oberster Grundsatz gilt für alle Bewerber, daß der Arbeitgeber ihm die Fragen stellen darf, die für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses und für die ordnungsgemäße Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung von Bedeutung sind. Dabei muß der Arbeitgeber einerseits mit dem notwendigen Takt vorgehen. Andererseits aber ist er berechtigt, gerade im fachlichen Bereich den Arbeitnehmer ausreichend zu testen.
    Soweit persönliche Bereiche für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses eine Rolle spielen, dürfen auch diese in den Fragenkatalog des Arbeitgebers einbezogen werden.
    b. Zulässig sind Fragen nach dem vollen Namen, dem Wohnort, Geburtsdatum des Bewerbers, auch dessen Familienstand, Kinderzahl und das Alter der Kinder darf erfragt werden. Der Arbeitgeber braucht alle diese Daten, um den Anforderungen des Finanzamtes und der Sozialversicherung zu genügen. Er braucht diese Daten aber auch, um später, z.B. im Falle einer Kündigung die Sozialauswahl richtig zu treffen.
    Diese familiären Daten sind auch wichtig, um bei Versetzungen z.B. in einen anderen Betrieb, an einen anderen Ort die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten richtig zu treffen und z.B. Rücksicht auf Kinder, Kindergarten oder Schule und ähnliches zu nehmen.
    c. Staatsangehörigkeit: Der Arbeitgeber muß feststellen, ob ein EU-Angehöriger eingestellt wird oder ein Ausländer aus einem Nicht-EU-Land. In diesem Falle muß er insbesondere vor Arbeitsantritt auf Vorlage einer Arbeitserlaubnis bestehen.
    d. Erforderlich sind Angaben zur Schulbildung, Vorlage der Schulabschlüsse. Der Bewerber muß auch seine Berufsausbildung darlegen und den Berufsabschluß. Berufserfahrung, Lehrgänge, Spezialkenntnisse und Spezialausbildungen, beruflicher Werdegang sind für den Arbeitgeber wichtig. Nicht erforderlich ist dagegen z.B. die Vorlage sämtlicher Schulzeugnisse aus allen Schuljahren. Für den Arbeitgeber ist es in der Regel uninteressant und damit unzulässig, zu überprüfen, ob ein Arbeitnehmer in der Schule sitzengeblieben ist oder nicht.
    e. Fremdsprachen: Im Zuge der EU und der Internationalisierung sind Fremdsprachen mittlerweile von enormer Bedeutung. Die Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers erhöht sich, ggf. auch des Anspruchs auf höheren Lohn. Diese Angabe dient auch dem Fortkommen des Arbeitnehmers in der Firma.
    f. Fragen nach dem beruflichen Werdegang, insbesondere Zeugnisse aus den vorangegangenen Arbeitsverhältnissen.
    g. Abgeleistete Wehrdienstzeiten, noch anstehende Einberufung zum Wehr- oder Zivildienst.
    h. Bestand eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses oder Bewerbung aus der Arbeitslosigkeit, Dauer der Arbeitslosigkeit.
    i. Die zuständige Krankenkasse und Rentenversicherungsträger.
    j. Bezug von Sozialversicherungsrenten und/oder von Betriebsrenten und Pensionen. Dies kann wichtig sein im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung. Hier könnten eventuell schon bestehende Ansprüche verrechnet werden.
    k. Existenz einer Konkurrenzklausel. Geheimnisträger oder besonders wichtige Arbeitnehmer haben manchmal im Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart. Dies untersagt ihnen für einen bestimmten Zeitraum in derselben Branche direkt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu arbeiten. Dadurch könnte der Einsatz des Bewerbers im neuen Betrieb eingeschränkt sein.
    l. Bisher im Urlaubsjahr durch den vorangegangenen Arbeitgeber erhaltener Urlaub, sofern der Arbeitnehmer schon seinen Jahresurlaub erhalten hat, braucht der neue Arbeitgeber diesen Urlaub nicht noch einmal zu gewähren.
    m. Andere, zusätzlich zum Hauptarbeitsverhältnis noch ausgeübte Nebentätigkeiten. Solche Nebentätigkeiten können ggf. das Arbeitsverhältnis beeinträchtigen. Insbesondere muß der Arbeitgeber prüfen, ob die Arbeitszeitgrenzen des Arbeitszeitgesetzes gewahrt werden. Allerdings darf der Arbeitgeber nicht jede Nebentätigkeit generell verbieten. Ein Nebentätigkeitsverbot ist nur dann zulässig, wenn durch die Nebentätigkeit das Arbeitsverhältnis in massiver oder unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.
    n. Zulässig ist die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft und dem Grad der Behinderung. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, die Schwerbehinderteneigenschaften zu erfahren. Er kann dann nämlich diesen Schwerbehinderten auf sein Schwerbehinderten-Pflichtkontingent von 6 % der Arbeitsplätze anrechnen. Er spart so die Ausgleichsabgabe von 200 DM monatlich, die er für einen unbesetzten Pflichtarbeitsplatz bezahlen müßte.
    Außerdem beweist der Arbeitgeber dadurch, daß er im Falle einer Kündigung zunächst die Hauptfürsorgestelle anrufen und deren Zustimmung einholen muß.
    o. Die Frage nach der Religionszugehörigkeit ist bei der Bewerbung im Zuge einer Einstellung zunächst unzulässig. Sie ist erst zulässig, wenn der Arbeitnehmer schon eingestellt ist, um ggf. die Kirchensteuer richtig abführen zu können.
    Eine Ausnahme besteht nur in Tendenzbetrieben, z.B. in kirchlichen Betrieben. Dort darf generell nach der Religionszugehörigkeit gefragt werden.
    p. Frage nach Krankheiten können im Einzelfall zulässig sein, soweit dadurch die generelle Arbeits- und Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers betroffen sind. Fragen nach bestimmten Krankheiten, die stark ansteckend und gefährdend sind, können ebenfalls zulässig sein, soweit damit die Gesundheit der Arbeitskollegen gefährdet wird. Weitere Fragen nach einer Erkrankung sind aber unzulässig.

>> Nächste Folge: Einstellungsgespräch - Unzulässige Fragen des Arbeitgebers, Teil I
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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
Reine
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug