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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 261: Surfen im Internet – Fristlose Kündigung I
Der Fall
Die moderne Arbeitgeberin Maria Theresia wickelt ihrer Unternehmens- und Finanzberatung nur noch über das Internet ab. Entsprechend sind ihrer Mitarbeiter während der gesamten
Arbeitszeit im Internet beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 befindet sich auf der Startseite des Unternehmens oben links ein rot unterlegter Hinweis: „Internet nur zum dienstlichen Gebrauch“. Wird dieser Hinweis
angeklickt, so erfolgt eine gesperrt geschriebene Warnung. Darin wird mitgeteilt, daß jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und
gespeichert wird und daß Mitarbeiter, die hier tätig werden, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Außerdem hat Maria Theresia durch ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter auf das Verbot zur
privaten Internetnutzung hingewiesen. Im Zuge einer Routinekontrolle der Festplatte stellte Maria Theresia fest, daß der von ihr ungeliebte, aber altgediente Mitarbeiter Fritz Pommerol in den letzten 3
Monaten ca. 30.000 Zugänge auf privaten Seiten aufzuweisen hatte, vorwiegend E-bay, aber auch verschiedene Chat-Foren. Großes Interesse hatte er auf Wohnmobil-Verkaufsseiten gerichtet und auf den Ankauf von
Jagdgewehren. Besonders schmerzte sie das Interesse des alten Fritz bei Last-Minute-Angeboten für Reisen nach Schlesien. Beim Arbeitnehmer Jerome Lustigk stellte sie fest, daß dieser stundenlang mit diversen
Freundinnen gechattet hat. Außerdem hat er zu Hunderten pornografische Seiten und Videos heruntergeladen und dann teilweise per e-mail unter Angabe der Firmenadresse in seinem weiten Bekanntenkreis verschickt.
Maria Theresia kündigt beiden Mitarbeitern wegen grober Treuewidrigkeit fristlos. Jerome und Fritz sind beleidigt, weil sie dies für eine überzogene Reaktion halten. Sie behaupten, von dem Verbot der
privaten Internetnutzung nichts gesehen und gehört zu haben. Maria Theresia habe keine klaren Verhältnisse geschaffen. Allenfalls sei eine Abmahnung gerechtfertigt.
Die Lösung
1. Verhaltensbedingte Kündigung
Verletzt ein Arbeitnehmer seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag gravierend, so sieht der Gesetzgeber in § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung
vor. Gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht, so kann der Arbeitgeber ohnehin ohne Angabe oder Vorlegen bestimmter Kündigungsgründe das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen. In Ausnahmefällen, bei Vorliegen
besonders gravierender Vertragsverletzungen kann auch nach § 626 Abs. 1 BGB außerordentlich, fristlos gekündigt werden. Diese fristlose Kündigung ist jedoch nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb einer
Ausschlußfrist von 2 Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes durch den Arbeitgeber möglich. Kündigungsgründe für eine verhaltensbedingte Kündigung können sich aus dem Verhalten des Arbeitnehmers gegenüber
dem Arbeitgeber, seinen Arbeitskollegen oder Dritten ergeben, soweit dadurch das Arbeitsverhältnis unmittelbar beeinflußt wird. Der Regelfall besteht in Vertragsverletzungen gegenüber dem Arbeitgeber. Eine
verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz ist dann gerechtfertigt, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der
ordentlichen Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar ist. Dabei müssen die Interessen beider Seiten ordnungsgemäß abgewogen werden. Es können nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die einen unmittelbaren
Bezug zum Arbeitgeber bzw. zum Betrieb haben. Verfehlungen im außerdienstlichen Bereich sind nur ausnahmsweise zu berücksichtigen. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus „wichtigem Grund“ ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer den Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider
Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Achtung: Das Gesetz benutzt den unbestimmten und ausfüllungsbedürftigen Rechtsbegriff des
„wichtigen Grundes“. Dieser Begriff wird sehr oft mißverstanden! Der Begriff des wichtigen Grundes ist nach objektiven Maßstäben auszulegen und zu füllen. Es kommt nicht darauf an, was der einzelne Kündigende
rein subjektiv für sich und seinen Betrieb oder sein Arbeitsverhältnis als wichtigen Grund ansieht. Warnung: Es wird in der Praxis viel zu oft fristlos gekündigt, statt des Ausspruchs einer Abmahnung oder
einer ordentlichen Kündigung. Eine unwirksame fristlose Kündigung kann vor dem Arbeitsgericht für den Arbeitgeber sehr teuer werden. Ein wichtiger Grund liegt meist nur vor, wenn der Vertragspartner eine
strafbare Handlung gegen den anderen begangen hat. Sonstige Vertragsverletzungen müssen außergewöhnlich gravierend oder hartnäckig sein, um als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung auszureichen.
2. Prüfungsschema fristlose Kündigung
Die Berechtigung einer fristlosen Kündigung muß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in einem zweistufigen Verfahren erfolgen. Vor Beginn der Prüfung muß jedoch
zuerst der Sachverhalt aufgeklärt werden. Wer kündigen will, braucht neben der Sachverhaltsaufklärung dann außerdem noch stichhaltige Beweise, da der Kündigende vor dem Arbeitsgericht die Rechtmäßigkeit seiner
Kündigung darlegen muß – und beweispflichtig ist. Wer keine Beweise hat, mag zwar im Recht sein, er wird im Prozeß vor Gericht jedoch im Zweifel trotzdem verlieren, wenn er beweispflichtig ist. Nach
Aufklärung des Sachverhalts und der Sicherung der Beweise ist dann zunächst zu prüfen, ob der ermittelte Sachverhalt generell nach der Rechtsprechung als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet und anerkannt
ist. Reicht der Sachverhalt in einer generalisierenden Betrachtungsweise nach der Rechtsprechung nicht aus, so ist dringend zu raten, die Finger von einer fristlosen Kündigung zu lassen. Liegen diese
Voraussetzungen ebenfalls vor, so muß in einer zweiten Stufe geprüft werden, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw. die Einhaltung der Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung unter
Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht. In dieser Einzelfallprüfung hat die Rechtsprechung eine Interessenabwägung
integriert. Danach müssen einerseits die persönlichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Andererseits aber müssen auch die Interessen des Arbeitnehmers, seine
Beschäftigungsdauer, sein Lebensalter, seine Unterhaltsverpflichtungen, ein eventuelles Mitverschulden des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen, ein Organisationsverschulden des Arbeitgebers etc. abgewogen
werden. Achtung: Bei Diebstahl, Unterschlagung etc. ist es unerheblich, ob es nur um einen geringfügigen Wert geht. Entscheidend ist stets der Grad des Vertrauensverstoßes.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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