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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 144: Hilfe Kündigung - Arbeitspapiere III

Der Fall:

    Der unstete Arbeitnehmer Rainer Maria Rilke ist wieder einmal vor der Arbeit weggelaufen und verlangt am neuen Betätigungsort die Arbeitspapiere vom Arbeitgeber Hermann Hesse heraus. Hesse will die Papiere aber nicht hergeben, solange Rilke das ihm überlassene Werkzeug des Arbeitgebers und den mit Rilke “entwichenen” Dienstwagen nicht herausgibt. Er macht ein Zurückbehaltungsrecht geltend.
    Rilke will klagen. Vor welchem Gericht? Als er endlich ein obsiegendes Urteil hat, rührt sich Hermann Hesse nicht. Was kann Rilke tun, um die Papiere zu bekommen? Rilke meint auch, daß ihm eine Arbeitsstelle wegen der fehlenden Papiere entgangen sei. Er will Schadensersatz. Arbeitgeber Hesse behauptet dagegen, Rilke habe die Papiere bei ihm überhaupt nicht abgegeben. Die Papiere seien einfach nicht da. Was kann man tun?

Die Lösung

1. Zurückbehaltungsrecht?

    Arbeitgeber Hesse hat gegen den Arbeitnehmer Rilke einen Anspruch auf Herausgabe der Werkzeuge des Arbeitgebers. Erst recht hat er einen Anspruch auf ordnungsgemäße Rückgabe des Dienstwagens. Trotz dieser Gegenansprüche hat der Arbeitgeber aber kein Zurückbehaltungsrecht an den Arbeitspapieren des Arbeitnehmers. Arbeitgeber Hesse muß die Arbeitspapiere dem Arbeitnehmer trotz dieser Gegenansprüche herausgeben.
    Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers ist in den Sozialversicherungs- und Steuergesetzen ausgeschlossen. Die Papiere sind notwendig, damit insbesondere die öffentlich-rechtlichen Institutionen ihre Arbeit tun können. Die Arbeitspapiere sind auch erforderlich, um dem Arbeitnehmer den Antritt an einer anderen Arbeitsstelle zu ermöglichen und damit den Lebensunterhalt zu sichern. Sonst würde der Arbeitnehmer Rilke den öffentlichen Kassen zur Last fallen.

2. Klage?

    Gibt der Arbeitgeber Hesse die Papiere gleichwohl nicht heraus, so kann der Arbeitnehmer Rilke vor dem Arbeitsgericht auf Herausgabe der Arbeitspapiere klagen. Der Arbeitnehmer ist Eigentümer der Papiere. Der Arbeitgeber haftet schon aus bürgerlichem Recht auf deren Herausgabe.
    Der Anspruch erstreckt sich auch auf die Ausfüllung der Arbeitspapiere. Auch dafür ist zunächst das Arbeitsgericht zuständig.
    Achtung: Das Arbeitsgericht ist dagegen nicht für die Berichtigung diverser falsch ausgefüllter Arbeitspapiere zuständig!
    Für das richtige Ausfüllen der Urlaubsbescheinigung oder der Lohnnachweiskarte bleibt das Arbeitsgericht zuständig. Das richtige Ausfüllen der Arbeitsbescheinigungen für das Arbeitsamt nach § 312 SGB III muß jedoch beim Sozialgericht eingeklagt werden. Für die richtige Ausfüllung der Lohnsteuerkarte und des Steuerabzugs ist alleine das jeweilige Finanzgericht zuständig.

3. Zwangsgeld

    Hat Arbeitnehmer Rilke einen Titel, d.h. ein Urteil oder einen gerichtlichen Vergleich auf Herausgabe seiner genau bezeichneten Arbeitspapiere erstritten, so kann Rilke beim Arbeitsgericht die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Arbeitgeber Hermann Hesse beantragen, wenn dieser gleichwohl nicht reagiert. Das Gericht verhängt ein oder mehrere Zwangsgelder, bis der Arbeitgeber die Papiere ausgefüllt herausgibt. Hat er kein Geld mehr, so kann das Arbeitsgericht auf Antrag Zwangshaft anordnen. Wenn Rilke die Kosten der Zwangshaft vorstreckt, müßte Hermann Hesse auch in das Gefängnis gehen.
    Die Zwangsgelder kommen aber nicht dem Arbeitnehmer, sondern allein der Staatskasse zugute.

4. Schadensersatz

    Führt die verspätete Herausgabe der Arbeitspapiere oder des Zeugnisses zu einem nachweisbaren Schaden des Arbeitnehmers, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen, wenn der Arbeitgeber diese Verzögerung zu vertreten oder verschuldet hat.
    Achtung: Entscheidend ist zum einen das Entstehen eines Schadens. Zum anderen muß der Arbeitnehmer beweisen, daß dieser Schaden kausal und schuldhaft vom säumigen Arbeitgeber verursacht worden ist. Das ist im Einzelfall allerdings sehr schwierig. Es muß z.B. beweisen, daß ihm eine bestimmte neue Arbeitsstelle nur deshalb verloren ging, weil die Arbeitspapiere fehlten.

5. Entschädigung

    Nach § 61 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz kann der Arbeitnehmer beim Arbeitsgericht für den Fall der Nichtherausgabe der Arbeitspapiere innerhalb einer bestimmten Frist auch die Verurteilung zu einer Entschädigungszahlung an den Arbeitnehmer beantragen. Die Höhe der Entschädigung setzt das Arbeitsgericht in freiem Ermessen fest. Sie ist mindestens an der Höhe des zu erwartenden Schadens orientiert.
    Diese Vorgehensweise ist für den Arbeitnehmer oft sehr günstig, da er sich ein aufwendiges Verfahren und die entsprechenden Beweisprobleme erspart. Allerdings kann er dann nicht mehr die Herausgabe der ordentlich ausgefüllten Papiere verlangen.

6. Ersatzpapiere

    Immer wieder wird bei Gericht vom Arbeitgeber eingewandt, daß der Arbeitnehmer die Papiere überhaupt nicht abgegeben hat, oder daß die Papiere spurlos verschwunden sind. Bei einem solchen Streit empfiehlt es sich für den Arbeitnehmer, sich so schnell wie möglich Ersatzpapiere (Ersatzlohnsteuerkarte) zu besorgen und diese dann vom Arbeitgeber ausfüllen zu lassen. Dies verhindert einen langwierigen Prozeß und führt den Arbeitnehmer schneller und kostengünstiger zu seinem Ziel.

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug