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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 124: Hilfe Kündigung - Zugang der Kündigung

Der Fall:

    Arbeitgeber Gottlob beschäftigt 150 Arbeitnehmer. Er muß 50 Arbeitnehmer betriebsbedingt abbauen. Gottlob meint, die Altarbeitnehmer Walter von der Vogelweide und Oskar von Wolkenstein beim Mittagessen in der Kantine mündlich gekündigt zu haben. Die ausgefuchsten Techniker Klopstock und Grimmelshausen hat Gottlob vorsichtshalber schriftlich und per Einschreiben gekündigt. Grimmelshausen war aber in Urlaub. Sein Einschreiben konnte nicht zugestellt werden. Den schwerbehinderten und kranken Andreas Gryphius hat Gottlob per Fax gekündigt. Das Faxprotokoll gab “okay” an. Gryphius bestreitet, eine Kündigung erhalten zu haben.
    Die Jungarbeitnehmer Uhland und Bettina von Arnim hat der fesche Gottlob per SMS gekündigt. Echt modern. Dem aufmüpfigen Betriebsrat Friedrich von Spee hat er die Kündigung per e-mail direkt ins Betriebsratsbüro geschickt.
    Sind die Kündigungen formgerecht zugegangen? Wann muß geklagt werden?

Die Lösung:

1. Klagefrist

    Die Klagefrist des Kündigungsschutzgesetzes beträgt nach § 4 KSchG 3 Wochen nach Zugang, d.h. nach Erhalt der Kündigung. Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung, wenn der Arbeitnehmer länger als 6 Monate beschäftigt ist und der Betrieb mehr als 5 Arbeitnehmer zählt.
    Immer dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz gilt, muß der Arbeitnehmer binnen 3 Wochen nach Zugang klagen. Sonst ist die Kündigung nach § 7 KSchG unwirksam, soweit sie sich auf das Kündigungsschutzgesetz stützt.
    Zwar kann die Kündigung auch aus anderen Gründen unwirksam sein, z.B. bei Schwangeren (Mutterschutzgesetz), Schwerbehinderten (SGB IX), Betriebsräten (BetrVG), bei Elternzeit (§ 18 ErzGG).
    Es ist jedoch auch allen Arbeitnehmern dringend anzuraten, eine Kündigungsschutzklage binnen 3 Wochen nach Zugang zu erheben. Sie gehen damit sicher, daß ihre Klage möglicherweise nicht schon aus formellen Gründen scheitert.

2. Zugangsdatum

    Entscheidend für die Klagefrist ist der Zugang und der Ausspruch der Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer. Nicht das Datum auf dem Kündigungsschreiben zählt. Dieses Datum könnte willkürlich sein. Vielleicht lag das Kündigungsschreiben auch zuerst eine Woche noch zur Überlegung in der Schublade des Chefs.
    Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es wichtig, das Zugangsdatum möglichst beweisbar festzuhalten. Am besten geschieht dies durch ein schriftliches Empfangsbekenntnis des Arbeitnehmers oder bei einer Übergabe durch einen Boten durch dessen schriftliches Zeugnis.

3. Ordnungsgemäßer Zugang

    Der Zugang muß ordnungsgemäß erfolgen, d.h. der Arbeitnehmer muß in der Lage gewesen sein, vom Kündigungsschreiben Kenntnis zu nehmen. Dazu reicht es i.d.R. aus, wenn das Kündigungsschreiben dem Arbeitnehmer persönlich übergeben wird, oder in dessen Briefkasten eingeworfen wird. Verweigert dann der Arbeitnehmer die Annahme, so hat dies keine Auswirkungen auf den Zugang der Kündigungserklärung. Problematisch ist der ordnungsgemäße Zugang aber z.B. bei dem Einschreiben mit Rückschein. Grimmelshausen war in Urlaub, er hatte im Briefkasten nur einen Benachrichtigungszettel. Die Post ist nicht abgeholt worden. Er hatte keine Möglichkeit des Einblicks in die Kündigungserklärung.
    Auch ein Anheften der Kündigungserklärung an die Wohnungstür oder ein Übergeben an einen Kollegen oder Bekannten des Arbeitnehmers ist problematisch. Der Kollege/Bekannte muß das Schreiben an den Arbeitnehmer wieitergeben oder in dessen Briefkasten werfen. Erst dann ist die Kündigung zugegangen.

4. Nachweis des Zugangs

    Im Streitfall muß der Arbeitgeber nachweisen, daß eine Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer tatsächlich zugegangen ist. Dies kann sehr problematisch sein, wenn nicht sorgfältig gearbeitet wurde.
    Die Altarbeitnehmer Vogelweide und Wolkenstein erinnern sich nicht mehr an die Kündigung in der Kantine. Schon deshalb bekommt der Arbeitgeber Gottlob Probleme. Außerdem hätte die Kündigung schriftlich sein müssen. Bei Grimmelshausen ist die Kündigung nicht zugegangen, da sie durch die Post mangels Abholung wieder an den Arbeitgeber zurückgeschickt wurde.
    Will der Arbeitgeber sicher gehen, so muß er sich den Empfang der Kündigungserklärung vom Arbeitnehmer quittieren lassen (Empfangsbekenntnis). Er kann auch einen Boten benutzen, um die Kündigungserklärung in den Briefkasten des Arbeitnehmers werfen zu lassen oder dem Arbeitnehmer persönlich übergeben zu lassen. Der Bote muß dann als Zeuge oder mit einer schriftlichen Quittung dieses bestätigen. Hat der Arbeitgeber keinen Nachweis der Kündigung geführt, so geht das Gericht davon aus, daß eine Kündigungserklärung überhaupt nicht ausgesprochen wurde.
     

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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug