|
|
|
Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
|
|
|
|
Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
|
|
|
Folge 296: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz III
Frage:
Ich fühle mich in meinem Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber, aber auch von Vorgesetzten und von Arbeitskollegen benachteiligt. Hilft mir das neue Gleichbehandlungsgesetz weiter, am Arbeitsplatz, mein Recht zu
finden?
Der Fall:
Arbeitgeber Heinrich von Kleist ist ein sehr sensibler und empfindsamer Arbeitgeber. Er versucht es allen Recht zu machen und ist gleichwohl verzweifelt darüber, daß viele seiner Arbeitnehmer unzufrieden sind
bzw. sich benachteiligt fühlen. Prokurist Henry de Toulouse-Lautrec erklärt, daß er wegen seiner Kleinwüchsigkeit und Verkrüppelung schon seit seiner Einstellung verspottet und benachteiligt werden.
Finanzleiter Baruch Spinoza fühlt sich als Jude wegen seiner Rasse diskriminiert. Der Pförtner Friedrich Engels meint, daß er als bekennender Marxist wegen seiner Weltanschauung nie befördert worden sei. Die
Chefsekretärin Edith Piaf meint, daß sie als Frau in dieser Firma von den sie umgebenden Obermachos ständig benachteiligt werden. Die Betriebspsychologin Hildegard von Bingen fühlt sich wegen ihrer Religion als
praktizierende Christin diskriminiert. Mit ihrem Nonnenschleier dürfe sie noch nicht einmal die Kantine aufsuchen. Der im Dienst ergraute Lagerarbeiter Nostradamus wird vom Lagerleiter ständig bedrängt,
endlich in die Rente zu gehen. Nostradamus fühlt sich wegen seines Alters diskriminiert. Der Dekorateur und Knabenliebhaber Michelangelo Caravaggio soll zukünftig nur noch mit Damen zusammenarbeiten oder ganz
alleine dekorieren. Er meint, daß diese Anweisung eine Benachteiligung wegen seiner sexuellen Identität beinhalte und rechtswidrig sei. Können die Mitarbeiter des Arbeitgebers Heinrich von Kleist aufgrund des
allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfolgreich gerichtlich vorgehen?
Die Lösung:
1. Verbotene Belästigung
Nach § 3 Abs. 3 AGG ist eine benachteiligende oder diskriminierende Belästigung verboten. Eine Belästigung in diesem Sinne ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 AGG
genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken: – daß die Würde der betreffenden Person verletzt und – ein von Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung
gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Diese Art der Belästigung ist letztlich eine Sonderform der Diskriminierung. Der Gesetzgeber will verhindern, daß ein „feindliches Umfeld“ im Betrieb geschaffen wird.
Diese Art der Belästigung setzt ein kontinuierliches Handeln von seiten des Arbeitgebers oder von Seiten der Arbeitskollegen voraus. Sie ist letztlich die Vorstufe zum „Mobbing“. Als Mobbing wird nämlich
(verkürzt ausgedrückt) das planmäßige oder systematische Schikanieren, Benachteiligen, Diskriminieren oder Anfeinden von Personen bezeichnet. Unter diese Art der Belästigung fällt deshalb nicht der einmalige
Wutausbruch oder die einzelne Diskriminierung. Achtung: Dieser Tatbestand der Schaffung eines „feindlichen Umfelds“ ist für den Arbeitgeber jedoch von besonderer Gefahr und Bedeutung. Sobald er von
diskriminierenden Handlungen erfährt, muß er stets eingreifen. Handelt er nicht, duldet er gar bestimmte Benachteiligungen im Betrieb, so läuft er Gefahr, daß er wegen der Mitwirkung am Entstehen eines
feindlichen Umfeldes durch Duldung oder Unterlassung sich schadenersatzpflichtig macht.
2. Sexuelle Belästigung
Nach § 3 Abs. 4 AGG ist die sexuelle Belästigung noch einmal hervorgehoben und ganz ausdrücklich verboten. Eine sexuelle Belästigung ist nach der Definition des Gesetzes eine Benachteiligung, die ein
unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten beinhaltet. Dieses sexuell bestimmte Verhalten bezweckt oder bewirkt, daß die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Dies gilt insbesondere, wenn ein von
Einschüchterung, Anfeindung oder Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Zu sexuellen Belästigungen bzw. dem sexuell bestimmten Verhalten gehören auch:
– unerwünschte sexuelle Handlungen, – unerwünschte Aufforderungen zu sexuellen Handlungen, zu entsprechenden Verabredungen, – sexuell bestimmte körperliche Berührungen,
– Bemerkungen sexuellen Inhalts, entsprechende Witze, – unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen. Schon in der Vergangenheit hat sich die Rechtsprechung mit den
Problemen der sexuellen Belästigung im Arbeitsverhältnis bzw. im Betrieb ausführlich befaßt. In leichteren Fällen hat die Rechtsprechung den Arbeitgeber verpflichtet, eine Abmahnung auszusprechen. In vielen
Fällen gelangte die Rechtsprechung aber auch zu dem Ergebnis, daß eine ordentliche Kündigung bzw. eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt war.
>> Nächste Folge << Zurück zur Übersicht
|
|
|
|
|
Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle: Reine Linkverweise ohne Einschränkung/Begrenzung. Bitte kopieren Sie dazu die URL aus der Browserzeile.
Wörtliche Textzitate: Ohne Rücksprache bis 2 Absätze aus bis zu 10 Folgen jew. mit Linkverweis. Weitergehende Textübernahmen nur mit schriftlicher Genehmigung. Wichtiger Hinweis:
Bitte keine e-mails mit konkreten Rechtsfragen einsenden, da diese nicht beantwortet werden können.
|
Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
|
Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
|
|
|
|
|
|
Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
|
Folgenübersicht:
|
1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
|
|
|