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Hans-Gottlob-Ruehle.de Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle |
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Hans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen, Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D., gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.
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Folge 278: Kündigung in der Elternzeit
Der Fall
Arbeitgeber Augustus möchte gerne die Provinzverwaltungssekretärin Thusnelda betriebsbedingt kündigen. Wegen seiner Niederlage in der Schlacht am Teutoburger Wald möchte er die Provinz
„Germania Superior“ aufgeben und die Provinzverwaltung auflösen. Am 1.12.2006 überreichte der assimilierte Legationsrat Franziscus Carius die Kündigungserklärung an Thusnelda. Thusnelda befand sich nach der
Geburt ihres Sohnes Hermann schon seit dem Frühjahr 2006 in Elternzeit. Empört eilte sie zu ihrem Gatten Arminius, der noch mit Aufräumarbeiten auf dem Schlachtfeld bei Kalkriese beschäftigt war. Arminius war
zwar ein großer Feldherr, aber kein Jurist. Deshalb fragt er, ob eine Kündigung im Erziehungsurlaub bei Betriebsstillegung möglich ist. Der Sänger Johnny Holiday ist schon lange als Pförtner im
Sicherheitsunternehmen von Orson Wells beschäftigt. Als progressiver Arbeitnehmer hat er nach der Geburt seines Kindes Erziehungsurlaub genommen. Da er die Arbeit vermißte, begründete er aber ein
Teilzeitarbeitsverhältnis im Erziehungsurlaub mit seinem Arbeitgeber Orson Wells. Orson Wells erfährt, daß Johnny Holiday auch für die Gegenseite arbeitet. Er will ihm kündigen. Geht das in der Elternzeit?
Die bei Orson Wells ebenfalls beschäftigte Spionin Mata Hari ist in Elternzeit. Da sie die Gesänge von Hans Albers liebt, hat sie bei ihm als Tonassistentin ein Teilzeitarbeitsverhältnis während der Elternzeit
begonnen. Hans Albers muß sein Tonstudio mangels Plattenverträgen schließen. Er kündigt deshalb allen Arbeitnehmern, auch Mata Hari. Mata Hari beruft sich auf Kündigungsschutz in der Elternzeit.
Die Lösung
1. Kündigungsverbot in der Elternzeit
Nach § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit von Mitarbeiterseite verlangt wurde, höchstens jedoch 8 Wochen vor
Beginn der Elternzeit, sowie während der Elternzeit nicht kündigen. Insoweit besteht ein mehr oder weniger absolutes gesetzliches Kündigungsverbot. Da sich Thusnelda im Erziehungsurlaub befindet, ist
Arbeitgeber Augustus generell gehindert, ihr eine betriebsbedingte Kündigung wegen Betriebsstillegung auszusprechen. Die von Legationsrat Franziscus Carius überbrachte Kündigung ist rechtsunwirksam. Der
Gesetzgeber hat jedoch weiter bestimmt, daß in besonderen Fällen ausnahmsweise eine Kündigung für zulässig erklärt werden kann. Die entsprechende Kündigungsgenehmigung erfolgt durch die für den Arbeitsschutz
zuständige oberste Landesbehörde. Dies bedeutet, daß Arbeitgeber Augustus bei der zuständigen Behörde, d.h. beim Regierungspräsidium nach der erfolglosen Kündigung einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung
in der Elternzeit stellen kann. Da er den gesamten Betrieb stilllegt und der Sekretärin Thusnelda keinen zumutbaren Arbeitsplatz anbieten kann, besteht eine gewisse Aussicht auf Erfolg. Die Kündigung ist jedoch
nur rechtswirksam, wenn die behördliche Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung erteilt worden ist.
2. Teilzeit in Elternzeit
Nach § 15 Abs. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz ist während der Elternzeit Erwerbstätigkeit zulässig, wenn die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit für jeden Elternteil, der eine Elternzeit
nimmt, 30 Stunden nicht übersteigt. Die Teilzeitarbeit kann bei demselben Arbeitgeber abgeleistet werden, wenn dieser damit einverstanden ist. Teilzeitarbeit bei einem anderen Arbeitgeber oder als Selbständiger
bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. Dieser kann sie jedoch nur innerhalb von 4 Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen.
3. Teilzeit beim selben Arbeitgeber
Will ein Arbeitnehmer gemäß § 15 Abs. 4 Bundeserziehungsgeldgesetz während der Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung bis zu 30 Stunden durchführen, so kann er das beim eigenen
Arbeitgeber tun oder bei einem Fremdarbeitgeber, soweit dringende betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Johnny Holiday hat die Teilzeitarbeit bei seinem Arbeitgeber Orson Wells begründet. Die Frage ist,
ob dieses Zweitarbeitsverhältnis trotz der Elternzeit vom Arbeitgeber gekündigt werden darf oder ab auch hier das strenge Kündigungsverbot des § 18 Bundeserziehungsgeldgesetzes gilt. Nach der Rechtsprechung
bezieht sich das Kündigungsverbot des § 18 Abs. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz zunächst nur auf das Hauptarbeitsverhältnis. Dies geht aus dem Wortlaut der Vorschrift hervor, die postuliert, daß „der Arbeitgeber“
das „Arbeitsverhältnis“ nicht kündigen darf. Dies folgt im übrigen aber auch nach ständiger Rechtsprechung aus den Motiven des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Darüber hinaus hat dann aber
der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 Ziff. 1 Bundeserziehungsgeldgesetz bestimmt, daß Abs. 1 entsprechend gilt, wenn der Arbeitnehmer während der Teilzeitarbeit bei seinem „Arbeitgeber Teilzeit leistet“. Damit hat der
Gesetzgeber klar gestellt, daß der Arbeitgeber des Hauptarbeitsverhältnisses auch dann dem entsprechenden Kündigungsverbot unterliegt, wenn das Teilzeitarbeitsverhältnis während der Elternzeit bei ihm begründet
worden ist. Für Arbeitgeber Orson Wells bedeutet dies, daß er den in der Elternzeit befindlichen Mitarbeiter Johnny Holiday weder in seinem Vollzeitarbeitsverhältnis noch in seinem weiteren
Teilzeitarbeitsverhältnis kündigen darf, sofern er nicht eine Zustimmungserklärung durch die zuständige Behörde besitzt. Die von Orson Wells ausgesprochene Kündigung ist deshalb rechtsunwirksam.
4. Teilzeit bei Fremdarbeitgebern
Die bei Orson Wells beschäftigte Arbeitnehmerin Mata Hari ist während der Elternzeit mit einer Teilzeitbeschäftigung zum Tonstudio des Hans Albers gewechselt. Die von Hans Albers als
Fremdarbeitgeber ausgesprochene Kündigung des Teilzeitarbeitsverhältnisses wegen betriebsbedingten Gründen ist rechtswirksam. Sie unterliegt nicht dem Kündigungsverbot des § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz.
Dies folgt einmal aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach nur der Hauptarbeitgeber vom Kündigungsverbot betroffen ist. Dies geht insbesondere aber aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 Ziff. 1
Bundeserziehungsgeldgesetz hervor, wonach das Kündigungsverbot entsprechend anzuwenden ist, wenn die Elternzeit bei dem Hauptarbeitgeber abgeleistet wurde. Im übrigen ergibt sich diese Rechtsfolge nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch aus dem systematischen Zusammenhang des Gesetzes einerseits wie aus den Motiven des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Merke:
Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub, die ein befristetes Teilzeitarbeitsverhältnis während der Elternzeit durchführen, genießen keinen besonderen Kündigungsschutz nach § 18 Bundeserziehungsgeldgesetz, wenn sie
diese Teilzeitarbeit bei einem Fremdarbeitgeber ableisten.
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:
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Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
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Arbeitsrecht von H.G. Rühle
Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen: Folge 1 - 100 Folge 101 - 200 Folge 201 - 300 Folge 301 ff.
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Folgenübersicht:
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1 - 12: Freie Bewerberauswahl? Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch
13 - 24: Psych. Gutachten Gentest Assessment Center Neues Befristungsrecht /
Teilzeitarbeit (TzBfG)
25 - 36: Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG) Neues im Erziehungsrecht
37 - 48: Berufsschule/Freistellung Dumpinglöhne Kündigung/soz. Aspekte Mobbing
49 - 60: Das Arbeitszeugnis Zeugnisgrundsätze Zeugnissprache Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung
61 - 72: Kündigung/Kopftuchtragen Blutuntersuchungen
73 - 84: Abmahnung Andere Sanktionen
85 - 96: Betriebl. Altersversorgung Betriebsrente “Riester-Rente”
Entgeltumwandlung
97 - 108: Forts. “Riester-Rente” Weihnachtsgratifikation Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen Krankheitsvertretung
109 - 120: Lohngrundsätze I-V Nebentätigkeitsverbot Mobbing I-VI
121 - 132: Kündigung - was tun? Checkliste
133 - 144: Kündigung - was tun? Soll ich klagen? Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?
145 - 156: Neues Kündigungsrecht 2004
157 - 168: Neues Kündigungsrecht Sozialauswahl Klagefrist Neuregelung TzBfG
169 - 180: Hartz IV Ein-Euro-Job
181-192: Ein-Euro-Job Forts. Ausgleichsquittung / unzulässiger Lohnverzicht
193 - 204: Betriebsausflug Elternzeit Betriebsübergang
205 - 216: Betriebliche Mitarbeiterkontrollen Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz
217 - 228: Neue Gewerbeordnung Gebetspausen
228 - 240: Neue Sperrzeitprobleme Beendigungsvergleich
241 - 252 Ethik-Regeln I-XII
253 - 264 Hitzeregelungen Internetnutzung (Kündigung)
265 - 276 Nebentätigkeiten Arbeit auf Abruf
277 - 288 Arbeitslosengeld - Sperrfrist Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld
289 - 300 Arbeitsrechtliche Schwellenwerte Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
301 - 312 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
313 - 323 Sittenwidrige Vergütung
324 - 335 Schutz der behinderten Menschen
336 - 347 Schutz der behinderten Menschen Annahmeverzug
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