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Arbeitsrecht von Hans Gottlob Rühle

 

Hans Gottlob RühleHans Gottlob Rühle,
Richter am Arbeitsgericht Gießen,
Direktor des Arbeitsgerichts Marburg a.D.,
gibt Praxistips rund um das Thema Bewerbung und Arbeitsrecht.

 

Folge 187: Ein-Euro-Job X

Der Fall

    Arbeitgeberin Lukretia wird gerne handgreiflich. Leonardo wird von ihr im Rahmen einer Arbeitsgelegenheit eingestellt. Nach verschiedenen Attacken kündigt er fristlos. Er will auch ein Zeugnis. Lukretia meint, er müsse 6 Monate durchhalten.
    Vivaldi kündigt seine Arbeitsgelegenheit ordentlich. Er hat einen tollen Job bei Michelangelo im Vatikan gefunden. Geht das?
    Rinaldo arbeitet ebenfalls in einer Arbeitsgelegenheit. Lukretia kann seinen Mundgeruch nicht mehr ertragen. Sie will ihn schnellstmöglich kündigen.
    Betriebsrat Lorenzo Medici will bei der Einstellung der Arbeitslosen in Arbeitsgelegenheiten mitbestimmen. Das verweigert Lukretia, weil diese Arbeitslosen keine Arbeitnehmer sind.
    Lorenzo will klagen. Auch Leonardo will klagen auf ein ordentliches Zeugnis und Schmerzensgeld. Zu welchem Gericht sollen sie gehen?

Die Lösung

11. Beendigung / Kündigung

    – Aufgrund der Besonderheiten der Arbeitsgelegenheit und der Befristung der Eingliederungsvereinbarung bzw. der Zuweisung durch Verwaltungsakt muß davon ausgegangen werden, daß bei diesen Rechtsverhältnissen dem Grundsatz nach die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Sinn und Zweck der Arbeitsgelegenheiten zielen auf die Eingliederung des Hilfebedürftigen in Arbeit. Dieser Zweck wird unterlaufen, wenn eine ordentliche Kündigung möglich wäre. Es ist aber zu beachten, daß die Arbeitsgelegenheiten regelmäßig auf 6 Monate befristet sind und eine weitere Verlängerung für 6 Monate in Betracht kommt.
    Analog der Rechtsprechung zu § 620 BGB kann an die Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung durch ordentliche Kündigung nur dann gedacht  werden, wenn dies zwischen dem Leistungsträger und dem Arbeitslosen sowie zwischen dem Arbeitslosen und dem Maßnahmeträger ausdrücklich vereinbart war. Dies dürfte in der Regel nicht der Fall sein.
    – Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muß generell die mit dem Leistungsträger vereinbarte befristete Zeit von i.d.R. 6 Monaten durchhalten. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit bzw. Beendigungsmöglichkeit dürfte nach Sinn und Zweck des Gesetzes in § 1 Abs. 1 SGB II nur dann gegeben sein, wenn der Arbeitslose eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden hat und antritt. Vivaldi kann also sofort aufhören, weil er eine feste Stelle bei Michelangelo gefunden hat.
     Ähnliches dürfte gelten, wenn der Arbeitslose aus dem Arbeitsleben endgültig ausscheiden will und Altersrente aus der Sozialversicherung bezieht.
     Dagegen hat der Dienstverpflichtete bei groben Vertragsverletzungen von Seiten des Dienstherrn die Möglichkeit, die Arbeitsgelegenheit durch fristlose Kündigung gem. § 626 BGB sofort zu beenden. Dies gilt für Leonardo, der sich nicht von Lukretia verprügeln lassen muß. In diesem Falle darf die Arbeitsverwaltung keine Sanktion und keine Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 SGB II vornehmen.
    – Auch für den Maßnahmeträger ist ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 BGB die vorzeitige Beendigung der Arbeitsgelegenheit durch ordentliche Kündigung nicht vorgesehen. Auch er ist an die Befristung des Vertragsverhältnisses gebunden.
     Allerdings ist schon in § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB II geregelt, daß eine Beendigungsmöglichkeit besteht, wenn der Anspruchsberechtigte „Anlaß für den Abbruch“ der Arbeitsgelegenheit gegeben hat. Daraus folgt das Recht zur außerordentlichen Kündigung auch für die Unternehmensseite.
    – Bevor der Maßnahmeträger kündigt, hat er jedoch die Pflicht, auf den Arbeitslosen einzuwirken und sein Verhalten zu ändern oder zu verbessern. Das gilt gerade dann, wenn Arbeitnehmer unangenehme Erscheinungen zutage treten lassen, wie Rinaldo (Mundgeruch).
     Eine Pflicht zur Abmahnung besteht jedoch dann nicht, wenn das Fehlverhalten des Dienstverpflichteten so erheblich ist, daß die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses eine Fortsetzung der Arbeitsgelegenheit auch nur für einen kürzeren Zeitraum nicht mehr zuläßt.
    – Eine einvernehmliche Beendigung der Arbeitsgelegenheit aufgrund Vereinbarung zwischen dem Maßnahmeträger und dem Dienstverpflichteten kann zu Sanktionen, d.h. Absenkung des Arbeitslosengeldes II führen, wenn dafür ein gewichtiger Grund nicht vorliegt. Eine solche Maßnahme sollte stets nur mit Zustimmung des Leistungsträgers, der Arbeitsverwaltung etc. stattfinden.
     

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Textübernahmen aus den Arbeitsrechtsfolgen von Hans Gottlob Rühle:
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Stichwort-Überblick über die Arbeitsrechts-Folgen:

Abmahnung, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeugnis, Assessment-Center, Ausgleichsquittung, Beendigungsvergleich, Befristungsrecht, Berufsschulunterricht, Betriebliche Altersversorgung (Entgeltumwandlung, “Riester-Rente”), Betriebliche Mitarbeiterkontrollen, Betriebsausflug, Bewerbungsgespräch, Bewerbungskosten, Bewerbungsurlaub, Dumpinglöhne/Lohnwucher, Ein-Euro-Job, Einstellungsuntersuchung, Elternzeitgesetz, Ethik-Regeln, Erziehungsurlaub/-geld, Gebetspausen, Gehaltsüberzahlung, Geldbußen-Erstattung, Gentest, Gleichbehandlung: (Bewerberauswahl, Gewerbeordnung (neue Regelung), Lohn, Nichteheliche Lebensverhältnisse, Stellenausschreibung), Hartz IV, Kündigung: (Kündigung - was tun? Alkoholmißbrauch, Unzeit, Kleinbetriebe, Kopftuchtragen, Privattelefonate/SMS, Internetnutzung, Schlechtleistung, Schriftform, Sittenwidrige Vergütung, Sperrzeitprobleme, Wiedereinstellungsanspruch, Diebstahl, Schwangerschaft), Kündigungsrecht 2004 (Neuer Abfindungsanspruch, Sozialauswahl, Klagefrist), Lohngrundsätze, Mobbing, Nebentätigkeitsverbot, Psychologisches Gutachten, Rauchverbot/Nichtraucherschutz, Sperrzeit, Teilzeitarbeit (TzBfG), Schwerbehindertenschutz, Videoüberwachung, Weihnachtsgeld (Rückzahlungspflicht)
  

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Arbeitsrecht
von H.G. Rühle

Übersicht über alle bisher erschienenen Folgen:
Folge 1 - 100
Folge 101 - 200
Folge 201 - 300
Folge 301 ff.

 

Folgenübersicht:

1 - 12:
Freie Bewerberauswahl?
Einstellungsuntersuchung Erkundigungen Bewerbungsurlaub
Bewerbungskosten
Zulässige/unzul. Fragen i. Vorstellungsgespräch

13 - 24:
Psych. Gutachten
Gentest
Assessment Center
Neues Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)

25 - 36:
Forts. Befristungsrecht / Teilzeitarbeit (TzBfG)
Neues im Erziehungsrecht

37 - 48:
Berufsschule/Freistellung
Dumpinglöhne
Kündigung/soz. Aspekte
Mobbing

49 - 60:
Das Arbeitszeugnis
Zeugnisgrundsätze
Zeugnissprache
Zeugnisbenotung
Zeugnisformulierung

61 - 72:
Kündigung/Kopftuchtragen
Blutuntersuchungen

73 - 84:
Abmahnung
Andere Sanktionen

85 - 96:
Betriebl. Altersversorgung
Betriebsrente
“Riester-Rente”
Entgeltumwandlung

97 - 108:
Forts. “Riester-Rente”
Weihnachtsgratifikation
Kündigung/Schwangersch.
Gebetspausen
Krankheitsvertretung

109 - 120:
Lohngrundsätze I-V
Nebentätigkeitsverbot
Mobbing I-VI

121 - 132:
Kündigung - was tun?
Checkliste

133 - 144:
Kündigung - was tun?
Soll ich klagen?
Wer kann mich beraten?
Wie soll ich klagen?

145 - 156:
Neues Kündigungsrecht 2004

157 - 168:
Neues Kündigungsrecht
Sozialauswahl
Klagefrist
Neuregelung TzBfG

169 - 180:
Hartz IV
Ein-Euro-Job

181-192:
Ein-Euro-Job Forts.
Ausgleichsquittung /
unzulässiger Lohnverzicht

193 - 204:
Betriebsausflug
Elternzeit
Betriebsübergang

205 - 216:
Betriebliche Mitarbeiterkontrollen
Videoüberwachung
Schwerbehindertenschutz

217 - 228:
Neue Gewerbeordnung
Gebetspausen

228 - 240:
Neue Sperrzeitprobleme
Beendigungsvergleich

241 - 252
Ethik-Regeln I-XII

253 - 264
Hitzeregelungen
Internetnutzung (Kündigung)

265 - 276
Nebentätigkeiten
Arbeit auf Abruf

277 - 288
Arbeitslosengeld - Sperrfrist
Neues Elternzeitgesetz / Elterngeld

289 - 300
Arbeitsrechtliche Schwellenwerte
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

301 - 312
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

313 - 323
Sittenwidrige Vergütung

324 - 335
Schutz der behinderten Menschen

336 - 347
Schutz der behinderten Menschen
Annahmeverzug